Draußen beobachtet

Der seltenste Strauch am ganzen Möhnesee

Ein Feigenbaum schaut über die Bruchsteinmauer
Erschienen im Soester Anzeiger am 8.10.2016


MÖHNESEE – Das hätten die Naturfreunde nicht erwartet: Über die Bruchsteinmauer – nicht weit vom Schiffsanleger an der Sperrmauer – schaut ein Feigenbaum, eine Charakterpflanze der Länder rund ums Mittelmeer. Der ideale Standort im Stauraum der Talsperre hat sie offensichtlich schon etliche Winter überstehen lassen: geschützt vor Nordwinden und mit wärmespeicherndem Naturgestein im Rücken. Die höchsten der dreilappigen Blätter überragen inzwischen das Gemäuer und zeigen sich den Passanten.
Wie die Feige dorthin gelangt ist, weiß man nicht. Auch das genaue Alter ist nicht bekannt. Es ist zwar kein Baum, aber schon ein imposanter Strauch, der mächtig in die Breite gewachsen ist. Auch in ihrer mediterranen Heimat wachsen die Feigenbäume häufig strauchförmig und nur selten bis zu zehn Meter hoch.

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Quelle: Angelika von Tolkacz

Uralt ist die Feige als Begleiter des Menschen. Schon vor 5000 Jahren war sie den Assyrern bekannt, in vorchristlicher Zeit bereits den Griechen. Vielen Völkern und in verschiedenen Religionen galt sie als heiliger Baum, später vor allem im Mittelmeerraum als Sexsymbol. Die drei- bis fünflappigen Blätter nutzte man zur schamhaften Verhüllung der Geschlechtsteile nackter menschlicher Standbilder. Vor allem aber sind Feigen vielseitig verwandte Nutzpflanzen, die so beliebt sind, dass vielerorts in Italien bis zu 80 Kilogramm pro Person und Jahr verzehrt werden. Je nach Pflege und Alter werden fünf bis zwölf Tonnen je Hektar geerntet. Sie werden von Bäumen und Sträuchern geschüttelt und dann noch nachgetrocknet, was die Feigen lange haltbar macht.

Ursprüngliche Heimat wilder Feigenbäume ist das westliche Kleinasien. Einer seiner nahen Verwandten, gehört zur gleichen Pflanzengattung wie die Feige und ist hierzulande wohl allen Menschen noch besser bekannt. Es ist der Gummibaum, der Anfang des vorigen Jahrhunderts die Oberhoheit über die meisten deutschen Wohnzimmer errang. Seine großen, glatten Blätter sind immergrün, glatt und leicht vom Staub zu reinigen. Obendrein gelten sie als pflegeleicht, jedenfalls als pflegeleichter als Feigen, die es auch als Zuchtform gibt. St.