Draußen beobachtet

Mohn wanderte schon vor 6000 Jahren ein

Eine der ältesten Wildkräuterarten unserer Heimat
Erschienen im Soester Anzeiger am 9.07.2016


MÖHNESEE – Hier und dort auf der Haar und in der Börde leuchten trotz der Saatgutreinigung die roten Blüten des Klatschmohns aus den Getreidefeldern. Mancherorts erfreuen sie an Feldrändern zu Hauf das Auge des Passanten. Zum Feldblumenstrauß eignen sie sich allerdings nicht, weil sie zu schnell ihre Blütenblätter verlieren. Aber als weithin sichtbare Farbtupfer im Grün der Felder haben ungezählte Künstler den Mohn in ihren Bildern verewigt.

Bei historischer Betrachtung kommt dem Klatschmohn der Rang eines herausragenden Kulturdenkmals zu. Schon vor 6000 Jahren gelangte er mit dem damals noch ungereinigten Saatgut des Getreides aus Vorderasien nach Mitteleuropa. Diese Ausbreitung von lichtliebenden Wildkräutern als Begleiter des damals aufkommenden Getreides war ein langsamer Prozess, der sich über Jahrhunderte hinzog. Er fiel in eine Zeit optimaler klimatischer Verhältnisse.

So verdankt der Klatschmohn seine Existenz auch in unserer Heimat dem Menschen, der in der Jungsteinzeit nach und nach zu einer sesshaften Lebensweise überging. Allein mit der Jagd auf Wild und dem Sammeln von Wildfrüchten und Wildgemüse konnte man den Nahrungsbedarf nicht mehr decken. Die „neolithische Revolution“, wie man die Sesshaftwerdung des Menschen auch bezeichnet, begann wohl im Bereich des „fruchtbaren Halbmondes“ an Euphrat und Tigris und setzte sich im Laufe der Jahrtausende langsam weltweit durch.

Ackerwildkräuter wie die Echte Kamille, der Ackersenf, der Erdrauch und der Ackergauchheil, denen der Gartenfreund noch am ehesten beim Unkrautjäten in seinen Beeten begegnet, sind schon in vorgeschichtlicher Zeit als Kulturbegleiter eingewandert. Auf den Feldern sind sie infolge des Einsatzes von Pestiziden und der effektiven Saatgutreinigung nach dem Zweiten Weltkrieg selten geworden. Die Kornrade, die zu den schönsten Wildkräutern gehörte, scheint auf der Haar vollkommen verschwunden zu sein.

Der Klatschmohn ist nicht nur als uralter Begleiter des Menschen beachtenswert. Auch aus botanischer Sicht hält er Rekorde. Botaniker haben festgestellt, dass Mohnblüten bis über zwei Millionen Pollenkörner aufweisen, die sie vor allem vormittags den Insekten darbieten. Eine einzige Samenkapsel enthält bis zu 5000 Samenkörner. Kein Wunder, dass der Klatschmohn sich in unserer Landschaft hält, zumal zur Freude aller auch immer wieder einmal Mohnsamen bewusst ausgebracht werden. St.