Draußen beobachtet

Stimmungsvolle Abendstunden

Noch immer streichen die Waldschnepfen
Erschienen im Soester Anzeiger am 18.06.2016


MÖHNESEE – In unseren Waldgebieten gibt es Tiere, die haben auch die besten Waldkenner, selbst die Förster und manche Jäger, in ihrem Leben nie oder nur wenige Male gesehen. Dazu gehören die Weibchen der Waldschnepfen, deren Gefieder dem Welklaub auf dem Waldboden so perfekt angepasst ist, dass sie fast unsichtbar sind. Sie verlassen sich so sehr auf ihre Tarnfarbe, dass sie erst auffliegen, wenn man vor ihnen steht.

Häufiger begegnet man den Schnepfenmännchen, wenn sie an bestimmten Stellen in feuchten Laubwäldern abends beim Einbruch der Dunkelheit im Balzflug vorüberstreichen. Auf eben diesem „Schnepfenstrich“ erwarteten früher oft Jäger die knapp taubengroßen Waldschnepfen, die schon im März aus ihrem Winterquartier zurückkehren und die Weibchen am Waldboden suchen.

Wo man den „Schnepfenstrich“ noch im Juni an einem milden, windstillen Abend erlebt, kann man ziemlich sicher sein, dass die Waldschnepfe in dem Waldgebiet zum zweiten Mal brütet. Wenn man einmal von der Belästigung durch die Mückenheere absieht, gehören die dreißig Minuten, in denen die Rotkehlchen und Singdrosseln nach und nach verstummen, zum Stimmungsvollsten, was der Wald zu bieten hat. Zumal wenn dann im langsamen Zickzackfluge dicht über den Birkenkronen auf der verbuschten Kyrillfläche tief quorrend die Waldschnepfe herannaht.

So nahe fliegt sie vorbei, dass der lange, gerade Schnabel sichtbar ist. Mehrere Quadratkilometer ist das Revier groß, in dem sie nach einem Weibchen sucht – nicht nach einem bestimmten, Waldschnepfen sind in dieser Hinsicht großzügig. Das Weibchen bleibt für den Menschen am Waldboden verborgen, wo es im Boden mit dem langen Schnabel nach Beute bohrt, brütet und sein vier Jungen großzieht.

Alle Verwandten der Waldschnepfe sind in Sumpf und Moor, am Strand oder in der Tundra zu Hause. Sie allein ist unser heimlichster Waldbewohner, zu deren Besonderheiten es gehört, dass sie bei Gefahr ihre Jungen sogar wegtragen kann. Doch das haben bislang nur wenige Menschen beobachten können. Den meisten genügt das Erlebnis des „Schnepfenstrichs“, mit dem für viele unvergessliche Stunden verbunden sind. St.