Draußen beobachtet

Überraschung für späte Heimkehrer

Nur eines der beiden Rotschwänzchen noch in allen Dörfern
Erschienen im Soester Anzeiger am 21.05.2016


MÖHNESEE – Wer erst spät vom Schützenfest heimkehrt, darf nicht überrascht sein, lange vor der Morgendämmerung von den ersten Frühaufstehern begrüßt zu werden. Die knarrenden Laute, die an den Beginn der Musik von einem alten Plattenspieler erinnern und denen durchaus melodischere Töne folgen, stammen von einem Hausrotschwanz-Männchen, das auf einem der Nachbarhäuser sitzt. Wahrscheinlich vom Dachfirst aus markiert es mit seinem Gesang sein Revier.

Hausrotschwänzchen sind schon im März und April aus der Region rund um das Mittelmeer heimgekehrt und jetzt wohl in allen Siedlungen im Gemeindegebiet anzutreffen, aber nicht in der Feldflur und im Walde. Sie lieben Gemäuer, Dächer und Hauswände, die sie an ihre ursprüngliche Heimat, an Felsen und Gestein im Bergland, erinnern. Von dort haben sie sich in Städte und Dörfer ausgebreitet, weshalb sie auch als „Kulturfolger“ bezeichnet werden.

Allerdings ist ihnen dort der Tisch mit Kleingetier, mit Insekten und Spinnen, nicht mehr so reich gedeckt wie früher. Auch Nischen im Mauerwerk, wo die Weibchen ihre Nester bauen und ihre fünf oder sechs weißen Eier bebrüten könnten, sind – zumindest in den Neubausiedlungen – vielfach Mangelware. Statt mit den üblichen Meisen- oder Starenkästen kann man den Rotschwänzen mit einer Halbhöhle, deren oberer Teil halb offen ist, bei der Wohnungssuche helfen.

Die Senioren unter den Vogelfreunden erinnern sich vielleicht, dass sie früher statt der Hauswortschwänzchen, deren Männchen wie vom Rauch leicht geschwärztes Gefieder tragen, häufiger in den Gärten und am Waldesrand den hübscheren Gartenrotschwanz mit weißer Stirn und orangefarbener Brust sahen. Diese Art, die in Afrika südlich der Sahara überwintert, kommt heute nur noch ausnahmsweise im Gebiet der Gemeinde Möhnesee, im Sauerland und in der Börde vor. Warum der Gartenrotschwanz innerhalb weniger Jahre vom allgemein verbreiteten Vogel zur Seltenheit wurde, vermögen auch Experten bislang nicht sicher zu erklären. Noch bleibt die Hoffnung, dass es sich um eine befristete Bestandsschwankung handelt und dass der Gartenrotschwanz wiederkehrt. St.