Draußen beobachtet

Bei den Heuschrecken ist fast alles anders

„Heupferdchen“
Erschienen im Soester Anzeiger am 8.07.2017


MÖHNESEE – „Heupferdchen“ kannte fast jedes Kind. Einige Buben verstanden es sogar, Heuschrecken zum Wettkampf im Weitsprung antreten zu lassen. Manche Arten dieser mittelgroßen Insekten waren so weit verbreitet, dass man sie fast überall antraf, manchmal sogar in naturnahen Gärten. In der Schule erfuhr man, dass bei den Heuschrecken fast alles anders ist als bei anderen Insekten. Dass sie ihre Gehörorgane in den Vorderbeinen haben und dass sie ihre Zirp-Konzerte instrumental mit besonderen Instrumenten an Beinen oder Klügeln bestreiten. Überhaupt verdankte man vielerorts den Heuschrecken das akustische Erlebnis der Landschaft, das von Ort zu Ort eine besondere Stimmung vermittelte. Heute muss man schon die wenigen Lebensräume kennen, wo sich die merkwürdigen Hüpfer und Musikanten noch gehalten haben.
Von den 80 in Mitteleuropa heimischen Arten ist inzwischen die Hälfte verschollen oder gefährdet, das heißt, das sie zum Teil in den letzten Jahren nicht mehr wiedergefunden wurden. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass Heuschrecken sehr spezielle Ansprüche an ihre Umwelt haben. Naturschützer sprechen von ihrer strengen „Habitatbindung“. Je nach Art können das besonders trockene, warme Lebensräume sein, die in der Regel unbewaldet sind.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Auch Magerrasen auf der einen und Feuchtwiesen auf der anderen Seite kommen in Betracht, die aber allein schon durch Spuren von den Rändern her eingewehter Pestizide oder chemischen Düngers für die Heuschrecken entwertet und unbewohnbar gemacht werden können. Diese empfindlichen Reaktionen machen Heuschrecken zu sensibelen Testorganismen für die Ausweisung und Pflege von Naturschutzgebieten auch auf der Haar und in der Oberbörde. Dort begegnet man noch vereinzelt Springheuschrecken, vor allem Feldheuschrecken. Wenn wir unseren Kindern und Enkeln diese ungewöhnlichen Geschöpfe erhalten wollen, müssen wir ihre Bedürfnisse ernst nehmen. Schon ein einziger „Pflegeumbruch“ mit nachfolgender Neueinsaat kann eine ganze Population auslöschen. Wirkliche Schädlinge wie die Wanderheuschrecken gibt es unter den hierzulande lebenden Heuschrecken nicht, obwohl die meisten Arten Pflanzenfresser mit „beißenden Mundwerkzeugen“ sind. st.