Draußen beobachtet

Blüte im Herbst und Blätter im Frühling

Herbstzeitlose war früher weit verbreitet, wurde aber immer zurückgedrängt
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 19.09.2018


MÖHNESEE – „Zeitlos“ erlebten die Menschen im Möhnetal früher die Blüten eines Knollengewächses, das früher in feuchten Wiesen weit verbreitet war. Mit dem Bau und Aufstau der Möhnetalsperre ist sie nur noch vereinzelt hier und dort anzutreffen. Es ist die Herbstzeitlose, die auch ohne den Talsperrenbau stark zurückgedrängt wurde. Die entfernt krokusähnliche Blüte ist ein Sonderling, woran schon der Name erinnert. Sie setzt sich im Jahresrhythmus im Gegensatz zu den anderen Blütenpflanzen über alle Gepflogenheiten hinweg und blüht im Herbst. Blätter und Früchte erscheinen erst im Frühling des Folgejahres. Deshalb hat sie der Volksmund „zeitlos“ genannt.
Der wissenschaftliche Name“ Colchicum autumnale“ erinnert an ein wichtiges Herkunftsgebiet: Kolchis, das an der Ostküste des schwarzen Meeres gelegen ist. Die Blütezeit im Herbst ist so außergewöhnlich, dass der Herbst in allen Namen vorkommt. „autumnalis“ heißt übersetzt „herbstlich“.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Auch seine Bedeutung für den Menschen ist zwiespältig. Wegen der Giftwirkung auf das Vieh hat man die Herbstzeitlose vielerorts auf dem Weideland auszurotten versucht. In allen seinen Teilen enthält die Pflanze das Zellgift Colchizin, durch das die Genetiker zu entscheidenden Fortschritten gelangt sind. Einerseits wirken bereits 20 Milligramm oder ein bis fünf Samen der Herbstzeitlosen auf den Menschen tödlich, andererseits überstehen Schafe und Ziegen den Verzehr unbeschadet. Nicht aber die Kühe, deren Milch von Menschen nicht schadlos genossen wird. Die Wirkung tritt erst längere Zeit nach dem Kontakt mit der Giftpflanze ein, Symptome nach mehreren Stunden, der Tod manchmal erst nach ein bis zwei Tagen.

Die Kapseln, die erst im Folgejahr aus dem Boden geschoben werden, enthalten die Samen, die auch arzneilich verwandt werden und die Herbstzeitlose ebenfalls zu einer in der Wissenschaft am weitesten bekannten Pflanze machen.