Draußen beobachtet

Das etwas andere Getreide

Schon Karl der Große und Hildegard von Bingen kannten Rispen- und Kolbenhirse
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 18.09.2018


MÖHNESEE – Wer in den Feldfluren am Ostrande des Dorfes Körbecke spazieren geht, hatte in diesem Jahr Gelegenheit, über die Geschichte historischer Getreidearten nachzudenken. Denn was da bis Mitte der Woche wuchs, war keines der üblichen Getreide, weder Gerste noch Weizen, weder Roggen noch Hafer und erst recht nicht der Mais, der in den letzten Jahren aus dem Münsterland in die Börde über zu borden droht. Er ist schon längst nicht mehr überall willkommen.

Das vielfach hinterfragte, dekorative Getreide ist eine Hirse, deren Name viele Zeitgenossen nur noch aus Märchen kennen. Da war der Hirsebrei einst eine weit verbreitete Volksnahrung. Im Märchen ist eine der verschiedenen Hirsen meistens ein Armeleuteessen.
Seit der Jungsteinzeit werden sie in Asien und Indien und viel später auch in Europa als wichtige Kulturpflanze nachgewiesen, die in Südrussland und in den Donauländern weit verbreitet, aber nicht großflächig angebaut wurde. Ihre Vorteile sind die Anspruchslosigkeit gegenüber den Böden. Die erwartete Erwärmung kann für sie von Vorteil sein.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Als Fladen oder Brei genossen, würden sie möglicherweise noch wohlschmeckendere Rezepte ergeben. Vorerst aber ist die Biomasse noch der Energiegewinnung gewidmet und eine Alternative zum Mais. Pflanzenarten, die sich in verschiedenen Gegenden der Erden erhalten haben, geraten neu ins Visier. In Körbecke wurden die Hirsen Anfang September geerntet und eingebracht. Vielleicht werden Wanderer und Naturfreunde im nächsten Jahr mehr über Rispen- und Kolbenhirsen erfahren, wenn sie auf das sortenreiche und alte Getreide achten, das Karl der Große im Capitulare und auch Hildegard von Bingen erwähnen.