Draußen beobachtet

Der Ehelose bleibt auf dem Boden

Buchfinken kommen selten in das Futterhäuschen

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 6.11.2019


MÖHNESEE – Der erste Reif des Winters hat den Rasen weiß gefärbt. Anlass genug, das Vogelfutterhäuschen aus dem Keller zu holen. Vier heimische Meisenarten wird man an der Möhne als Gäste begrüßen können, dazu unter anderem Amseln, Buchfinken und Rotkehlchen, an manchen Orten auch Haussperlinge in großer Zahl. Einzelne Arten zeigen besondere Vorlieben, nicht nur hinsichtlich des Futters, sondern auch des bevorzugten Futterplatzes. Während die Meisen sehr schnell die Futterhäuschen annehmen, suchen die Buchfinken lieber die Sonnenblumenkerne am Boden.
Sie sind überall bekannt und beliebt; sind die Buchfinken doch hierzulande die häufigsten Singvögel. Auch ihr Gesang ist im Frühling überall zu hören. Keine andere Vogelstimme hat man in so vielen deutschen Landschaften in Worte zu fassen versucht wie den Schlag des Buchfinken. „Bin ich nicht ein schöner Bräutigam“, sagt man bei uns. Früher wohl auch „Bin ich nicht ein schneid’ger Gardeoffizier“. In Bayern war zu hören „Gegrüßet, gegrüßet seist Du Maria“ und ganz staatstragend „Ick, ick, ick komm von der Regierung“. In allen Fällen beschreiben die Verse die Länge und den Rhythmus des Gesanges. Ein Finkenruf, der ebenfalls häufig zu hören ist, klingt kurz und bündig wie „pink“ und gab dem Finken seinen Namen.
Auch der wissenschaftliche Artname des Buchfinken erzählt eine besondere Geschichte. Weil früher die Paare sich im Herbst trennten und die Weibchen sich allein auf die Winterreise begaben, nannte der bekannte Naturforscher Carl von Linné (1707 – 1778) ihn Fringilla coelebs, den Ehelosen. Heute gilt die Bezeichnung nur noch bedingt, seit die milden Winter dafür sorgen, dass wir immer öfter sowohl Finkenmännchen als auch Finkenweibchen am Futterplatz beobachten können. Geblieben ist die Vorliebe der Buchfinken für die Bucheckern, die in ihren deutschen Namen angesprochen werden.
Dass der Buchfink im Herbst und Winter noch nicht so kontrastreich bunt wie im Frühling ist, scheint an seiner „Sparsamkeit“ zu liegen. Er kommt an das schönste Federkleid, indem die Spitzen der Federn abbrechen und so erst die Schönheit des Brutkleides sichtbar werden lassen.