Draußen beobachtet

Der Schnabel verrät die Lieblingsspeise

Auch „Körnerfresser“ bevorzugen junge Insekten

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 5.10.2019


MÖHNESEE – Den Gartenbewohnern unter den Singvögeln sieht man an, was ihnen besonders schmeckt. Wie vieles in der Natur passen auch die Nahrung und die Ernährungsweise vorzüglich zueinander. Wer Körner und Samen fressen will, braucht dazu einen dreieckigen Schnabel. Wer dagegen Insekten bevorzugt, kommt mit einem dünneren, länglichen Schnabel besser zurecht. Vogelfreunde unterscheiden demgemäß bei der Winterfütterung der Vögel zwischen „Körnerfressern“ und „Weichfressern“. Nach Möglichkeit versuchen sie, für die ganze Vogelschar ein Angebot bereit zu halten.
Am leichtesten ist es, die Körnerfresser mit allerlei Samen, vor allem mit Sonnenblumenkernen und blanchierten Erdnüssen, zu versorgen. Das gilt für Sperlinge, Buch- und Grünfinken, Gimpel und Stieglitze, aber auch für alle fünf heimischen Meisenarten, die mit ihren zarten Schnäbelchen eine Zwischenstellung einnehmen. „Weichfresser“ sind dagegen die Drosseln, aber auch die Rotkehlchen und Zaunkönige.
Geradezu ein Musterbeispiel für einen Körnerfresser ist der Kernbeißer, der zwischen Möhne und Haar gelegentlich in den Eichen-Hainbuchen-Wäldern und in Gärten und Parks anzutreffen ist. Selbst Kirschkerne vermag er zu knacken, während er das Fruchtfleisch verschmäht. Deshalb ist auch der Name „Kirschkernbeißer“ gebräuchlich. Der größte Finkenvogel mit seinem auffallend großen Schnabel hat einen Faible für die Samen der Hainbuche, frisst aber auch Bucheckern und Sonnenblumenkerne. Zur Brutzeit verfüttert er wie alle Körnerfresser an seine Jungen Insekten und Spinnen; die Jungen könnten mit Körnern und Samen noch wenig anfangen.
Die meisten Körnerfresser verzehren auch Knospen und machten sich dadurch früher, als man noch kleinlicher die biologische Bedeutung der Vogelarten in „Nutzen zu Schaden“ abzurechnen versuchte, bei manchen Gartenfreunden unbeliebt. Die hohe Zeit für viele Vogelarten ist der Herbst, wenn die Baumfrüchte reifen. Die Ebereschen, die zu Recht auch „Vogelbeeren“ genannt werden, locken ganze Scharen von Amseln und Wacholderdrosseln an. Ebenso die Früchte der Stechpalmen und der Eiben in den Gärten, nicht zuletzt auch das nicht abgeerntete Obst, vor allem auch die abgefallenen und bereits faulenden Äpfel an den Straßenbäumen.