Draußen beobachtet

Der Urweltmammutbaum blüht

Die Metasequoia hat eine 150Millionen Jahre alte Geschichte

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 29.01.2020


MÖHNESEE – Anfang des vorigen Jahrhunderts war die Fachwelt überzeugt, alle auf der Erde lebenden Arten Bäume zu kennen. Da war es schon einen echte Sensation, als Botaniker 1941 in den chinesischen Provinzen Ostsichuan und Westhubel den Urweltmammutbaum als neue lebende Art entdeckten. Sie konnten ihn sogleich systematisch zuordnen, weil es die Art vor 150 Millionen Jahren schon einmal gab. Als Fossil hatte man sie bereits vor Jahren in Ablagerungen der Jura-Zeit gefunden und in allen Details studiert.
Wie viele andere Baumarten galt die Metasequoia, wie die Art schon vor ihrer Wiederentdeckung hieß, als ausgestorben. Nun wurde sie als lebendes Fossil gefeiert. 1946 kamen erste Samen nach Europa. Baumschulen und Botanische Gärten rissen sich darum. In etlichen Gärten und Parks hat man damals kleine Bäumchen gepflanzt, auch in der Gemeinde Möhnesee. Diese haben sich gut entwickelt und sind heute um die 50 Jahre alt. Aber die meisten Metasequoien überall in Europa blühen nicht.
Da ist das Exemplar vor dem Kraftwerk am Ausgleichsbecken in Günne eine beachtenswerte Ausnahme. Der 60 bis 65 Jahre alte Baum ist wahrscheinlich der einzige weit und breit, der sich in den nächsten Wochen mit Blüten schmücken wird. Er gehört offenbar zu den ersten Vertretern der neu entdeckten Art, die hierzulande gepflanzt wurden.
Wie die Lärche wirft auch die Metasequoia im Herbst ihre Nadeln ab, nachdem sie sich zuvor rotbraun bis kupferrot gefärbt haben. Der lichtbedürftige Baum wächst in der Jugend ungewöhnlich schnell und kann eine Höhe von 35 Metern erreichen. Viele Exemplare zeichnen sich durch einen auffallend geraden Wuchs und eine rotbraune Borke aus. Nur in den unteren zwei Metern weist der Stamm urig wirkende muskulöse Verwachsungen – oft mit tiefen Kehlungen – auf.
Nicht nur fachsimpelnden Dendrologen, sondern auch allen interessierten Naturfreunden, bietet sich die Gelegenheit, bei einem Spaziergang um das Ausgleichsbecken am Kraftwerk die alte Metasequoia zu sehen, die auch im vorigen Jahr schon geblüht haben muss, wie die vorjährigen, drei Zentimeter große Zäpfchen beweisen.