Draußen beobachtet

Der Vogelzug ist voll im Gange

Kraniche und Rotdrosseln zu Tausenden
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 4.11.2017


MÖHNESEE – Um die Oktober-Novemberwende ist auch im Sauerland der Vogelzug unübersehbar. In diesen Tagen überqueren die Kraniche insgesamt zu Tausenden Möhnesee und Möhnetal auf dem Weg in den Süden, bei stürmischem Wetter auffallend hoch. Darunter sind immer einzelne Trupps, die erst abends hier ankommen und zu übernachten versuchen, und zwar sowohl in den Ahse- und Lippewiesen
als auch an den breiten Ufern des Möhnesees. Noch zahlreicher wandert seit zwei Wochen eine in Skandinavien heimische Drosselart bei uns durch, deren Rufe man schon nachts zuvor in den Dörfern hört. Sie klingen wie „Tzieh“ vom Himmel und stammen von der Rotdrossel, einer kleineren Verwandten unserer Amsel oder Schwarzdrossel, dem Charaktervogel der nordischen Birkentundra.
Die Rotdrossel, die bei uns gar nicht brütet, ist im Norden so zahlreich, dass sie sich von dort scharenweise in jedem Herbst auf die Winterreise in den Süden begibt. Früher hat man sie dabei
auch im Sauerland zusammen mit den Wacholderdrosseln gefangen und sie kurzerhand ebenfalls als Krammetsvögel bezeichnet. Dabei ist dieser häufige Zugvogel an dem markanten Streifen über den Augen und den rostroten Abzeichen an den Flanken leicht zu erkennen. Wegen der rötlichen Abzeichen wird die Rotdrossel auch Weindrossel genannt.

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Mit den Flecken auf dem Bauch und einer dekorativen Gesichtszeichnung ist sie nach der Wacholderdrossel die zweit schönste Drosselart, die in heimischen Gärten gut zu beobachten ist. Nach ihrer Ankunft sind die Rotdrosseln in den Gärten offenbar ausgesprochen durstig. Bis zu drei Ankömmlinge gleichzeitig badeten in einer Vogeltränke, bevor sie sich heißhungrig über die Hagebutten der kleinen Remblerrosen hermachten. Meistens erst in einer der nächsten Nächte machen sich die Rotdrosseln einzeln oder in kleinen Trupps weiter auf die Reise, nachdem sie die Natur- und Vogelfreunde davon allenthalben überzeugt haben, dass sie aufgebrochen sind und der Winter nun bald vor der Tür steht. Unter den Zugvögeln ebenfalls unübersehbar sind die nordischen Bergfinken, zumal wenn die Rotbuchen möglichst viele Bucheckern anzubieten haben. Buch- und Bergfinken fliegen oft in gemischten Schwärmen von den Wanderwegen auf und brechen erst zu den nächsten Futterplätzen auf, wenn Eis und Schnee sie vertreiben.