Draußen beobachtet

Die erfreulichere Hälfte

Buchenwälder beherrschen das Sauerland

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 30.10.2019


MÖHNESEE – Es ist schon ein Glück, dass die Hälfte der Waldfläche im Arnsberger Wald mit Laubwald bedeckt ist. Wanderer und Spaziergänger wenden sich schnell von den Bereichen ab, auf denen die Fichtenkatastrophe zugeschlagen hat, und suchen sich neue Ziele. Sie sind in dem großen Waldgebiet zwischen Möhne und Ruhr erfreulicherweise noch vielerorts zu finden. Sowohl im Staatsforst als auch hier und dort im Privatwald sind Förster nicht dem zeitweiligen Trend gefolgt, den heimischen Laubwald zu Gunsten der Fichten zu opfern.
Wenn auch ebenfalls durch Sturm und Dürre geschädigt, bleiben größere Bestände Buchen und Eichen den Waldbesitzern und den Erholungssuchenden erhalten. In der Gemeinde Möhnesee wird gern auf ausgedehnte Buchenwälder zwischen Neuhaus und Kreuzeiche verwiesen, die zu durchwandern nach wie vor ein besonderes Naturerlebnis sind.
Die Rotbuchen sind zwar erst ebenso lange heimisch wie die Menschen in der Jungsteinzeit sesshaft. Ihnen ist es aber gelungen, in der vergleichsweise kurzen Zeit nahezu das gesamte Sauerland zu besiedeln und zur vorherrschenden Baumart zu werden. Jahrhundertelang haben unsere Vorfahren das Buchenholz für alle erdenklichen Zwecke genutzt. Bis zur Förderung der Steinkuhle qualmten überall in den Buchenwäldern die Meiler und lieferten die Holzkohle.
Auf den besseren Standorten konkurrierten oft Buchen und Eichen miteinander. In manchen Laubmischwäldern kann man heute noch beobachten, wie die Rotbuche als Schattenbaum der Eiche das Licht streitig macht. Oft muss der Förster eingreifen, wenn er wertvolle Eichenstämme haben will. In anderer Hinsicht sind die Eichen den Buchen überlegen. Sie schlagen stärker und sicherer aus dem Stock wieder aus. Wenn in früheren Jahrhunderten Buchen und Eichen gefällt wurden, änderte sich das Waldbild zu Gunsten der Eichen.
Gemeinsam sorgen beide Baumarten für einen gedeckten Tisch für das Wild. Jahrhundertelang aber waren Bucheckern und Eicheln auch für den Menschen lebenswichtig. Je nachdem wie reich die beiden Baumarten fruktifizierten, konnten mehr oder weniger Schweine in die Wälder eingetrieben und gemästet werden. Jahre mit starkem Fruchtansatz – vor allem bei der Eiche – heißen auch heute noch, wo seit fast 200 Jahren Landwirtschaft und Forst getrennte Wege gehen, „Mastjahre“.
Ebenfalls gemeinsam sehen Buchen und Eichen in die Zukunft. Beide Arten kommen als Kandidaten für die Wälder im Klimawandel in Betracht. Mit Herzwurzeln fest und tief im Boden verankert, gilt vor allem die Eiche als sturmfest, aber auch die Buchenwälder haben Kyrill und Friederike vergleichsweise gut überstanden. Wichtig ist auch, dass sie längere Trockenperioden ertragen. Als heimische Arten in naturnahen Mischwäldern werden sie weiterhin an alte Traditionen anknüpfen und das Herz der Heimatfreunde erfreuen.