Draußen beobachtet

Die gehölzärmsten Landschaften Deutschlands

Auch die Feldfluren könnten reicher an Tieren sein

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 1.02.2020


MÖHNESEE – Man sagt, es habe hier schon Bauern gegeben, die unruhig wurden, wenn sie nicht von jedem Punkt ihres Grund und Bodens aus jeden anderen hätten überblicken können, weil ein Baum oder Busch im Wege stand. Und in der Tat gehören die Oberbörde und die Haar mit anderen Bördelandschaften zu den gehölzärmsten Gegenden in Deutschland. Das war nicht nimmer so. Schon im frühen Mittelalter haben Menschen Hecken und Bäume gepflanzt, um damit Ackerland vor dem Vieh zu schützen. Nur wenige dieser vom Menschen gemachten Landschaftsstrukturen sind erhalten geblieben und noch heute lebende Dokumente der Kulturgeschichte.
Die meisten dieser Landschaftshecken entstanden aber als Besitzgrenzen nach der Privatisierung der Allmende erst im 19. Jahrhundert, vor allem auch im Münsterland. Vielerorts wurde die Anlage von Hecken durch den Landesherren gefördert oder als Ersatz für die Ablösung der Waldhude betrachtet. Eichen und Hainbuchen der Hecken, die regelmäßig gepflegt werden mussten, lieferten Brennholz, die Eschen das für die Winterfütterung erforderliche Laubheu, die Weiden Flechtmaterial, die Schlehen und Rosen Gelee und Kompott.
Für die Tier- und Pflanzenwelt waren die breiten, an Dorngestrüpp reichen Hecken ein Segen. Für das Vieh Ersatz für den noch nicht verfügbaren Stacheldraht, für die Natur Ort eines großartigen Artenreichtums und Garant für eine Vernetzung der Lebensräume.
Heute gibt es Gehölze fast nur noch an Ufer-, Straßen- und Wegerändern. Zur Ertragssteigerung und zur Vergrößerung der Ackerschläge wurden die eigentlichen Landschaftshecken nach und nach entfernt. Flurbereinigungsverfahren in den 50er bis 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts trugen zum traurigen Ende bei. Am längsten hielten sich einige Hecken noch am Haarstrang, wo sie unter anderem auch zum Erosionsschutz beitragen.
Im Rahmen neuerer Maßnahmen der Landschaftsplanung und der ökologischen Erneuerung kommen Landschaftshecken wieder ins Gespräch. Als naturnahe Lebensräume könnten sie dazu beitragen, dass unsere ausgeräumten, strukturarmen Landstriche wieder mit Leben angereichert werden. Blütenbesucher wie Wildbienen und Tagfalter würden schneller, Laufkäfer etwas langsamer wieder einwandern, Igel und Spitzmäuse ihnen folgen. Ein besserer Wind- und Bodenschutz wären auch gewährleistet. Der in der Gemeinde diskutierte Bürgerwald zwischen Haar und Möhnetal könnte bereits ein Beitrag der Heim- und Naturfreunde zur Anreicherung der Landschaft, zum Natur- und Klimaschutz und ein Zeichen der Verbundenheit der Menschen mit ihrer Heimat werden.