Draußen beobachtet

Die häufigsten Gäste am See

Reiherenten sind zum Wameler Seeabschnitt ausgewichen

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 8.02.2020


MÖHNESEE – Die kleinen schwarz-weißen Tauchenten sind den meisten Bewohnern im Möhnetal wohlbekannt. Es sind die Reiherenten, die nach den „Reiherfedern“, einem Federbusch am Hinterkopf, benannt sind. Normalerweise sieht man sie fast überall auf dem Wasser in Ufernähe, fast immer in Gruppen. Die größten Scharen bevorzugten sonst das Naturschutzgebiet im Hevetal. Zurzeit aber haben sie sich auf den Vorstaubereich oberhalb des Stockumer Damms zurückgezogen, weil auf dem Hauptsee nach zwei Jahren mit extrem niedrigen Wasserständen für sie nicht mehr genügend Nahrung zur Verfügung steht.
Die Reiherenten haben als Vorzugsnahrung die Wandermuschel (Dreissena), die auch Dreikantmuschel genannte wird und im Möhnesee ganze Muschelbänke bildet. Diese aber sterben ab, wenn der Wasserspiegel soweit absinkt wie in den Jahren 2018 und 2019. Der gleich bleibende Wasserstand im Wameler Becken bietet den Reiherenten, die bis zu 20 Sekunden tauchen können, ausreichend Nahrung. Häufig sieht man die Reiherenten hier in Gesellschaft der völlig schwarzen Blesshühner, die ebenfalls nach den Wandermuscheln tauchen.
Die Reiherenten haben ihr Brutgebiet im Laufe des 19. Jahrhunderts von Osteuropa immer weiter nach Westen ausgeweitet. 1963 brüteten die ersten Paare in Westfalen; 1966 auch im Ruhrtal. Auf dem Möhnesee zogen immer nur wenige Reiherenten-Weibchen ihre Jungen groß. Ihnen fehlen hier die als Neststandort erfolgreichen Röhrrichte, die wegen der Wasserspiegelschwankungen nicht aufkommen können. Vereinzelte Reiherenten wurden aber auch hier mit bis zu acht Küken beobachtet. Die Weibchen brüten und betreuen den Nachwuchs allein, weil sich die Erpel schon frühzeitig aus dem Staube machen.
Die vielen Reiherenten auf dem Möhnesee sind hier nur Gäste, die zu allen Jahreszeiten anzutreffen sind, allerdings in wechselnder Zahl. Im Laufe der Jahre wurden immer mehr, zeitweilig über 1000 Tiere gezählt. In manchen Jahren waren die Reiherenten die häufigsten Wasservögel auf dem Möhnesee und übertrafen zahlenmäßig sogar die Stockenten, die Stammeltern unserer Hausenten, die als „Wildenten schlechthin“ gelten. Diesen Rang machen ihnen jetzt die Reiherenten streitig. Da sie nicht bejagt werden dürfen, sind sie ziemlich zutraulich und in ihrer quicklebendigen Art eine Freude der Spaziergänger.