Draußen beobachtet

Die Kartoffel

Blühende Kartoffelfelder
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 27.06.2018


MÖHNESEE – Blühende Kartoffelfelder kann man zwar in der Gemeinde zwischen Haar und Möhnetal inzwischen auch bewundern, aber noch immer nur vereinzelt.
Die Blütenkronen, die weiß oder violett sein können, sind in ihrer Fülle schon eine echte Augenweide und waren dies auch schon zunächst bei ihrer Premiere in den Botanischen Gärten in Wien, Frankfurt am Main und in Breslau.
Als Pizzaro die Kartoffel 1526 bei den Indianern in den Hochanden Südperus kennenlernte, war sie dort bereits ein altbekanntes Nahrungsmittel. Und nicht nur das! Durch einen geschickten Wechsel durch Trocknung in der Sonne und Frost in der Nacht verstand man aus der Kartoffel lange haltbare Konserven zu machen. Während den Wildformen nahe Kartoffeln offenbar frosthart sind, müssen die heute bei uns gebräuchlichen – es sollen an die 1000 Sorten geben – vor Frost geschützt werden, weshalb die Knollen hier nicht vor April gelegt werden.

Quelle: Angelika von Tolkacz

In der Geschichte der Kartoffel in Europa gibt es gleich mehrere Widersprüche. Nicht zuletzt durch die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges hungerten die Menschen. Aber zum Anbau von Kartoffeln mussten sie gedrängt werden. Dabei liefern die Knollen inzwischen so viel Eiweiß je Hektar wie die gleiche Fläche Getreide und doppelt so viel Kohlenhydrate. Bereits 1555 gelangte die Kartoffel nach Spanien und weiter nach Italien, aber noch 200 Jahre später bedurfte es einer Anordnung Friedrichs II. zu ihrem verstärkten Anbau. Die Hungerkatastrophen der Jahre 1791 und 1817 führten zu Auswanderwellen, aber nur zögerlich zur Ausbreitung der Kartoffeln, die keine zu hohen Ansprüche an den Boden (der sollte sandig-lehmig sein) stellen.
Ein gravierender Widerspruch ist die Tatsache, dass die Kartoffelpflanze in allen Teilen – ausgenommen nur die Knollen – giftig ist. Seit 1877 gibt es in Deutschland den Kartoffelkäfer, der nach den Propaganda-Meldungen im Zweiten Weltkrieg von den Alliierten als Kriegswaffe eingesetzt wurde. Manche Senioren werden sich erinnern, wie sie Hunderte von Kartoffelkäfern in den Gärten absammelten und an die Hühner verfütterten. Die etwa einen Zentimeter großen Blattkäfer mit ihren zehn schwarzen Längsstreifen auf den Flügeldecken gehören auch heute noch zu den bekanntesten Käferarten.