Draußen beobachtet

Die letzten Hasen kämpfen ums Überleben

Bewohner der Feldflure
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 23.01.2019


MÖHNESEE – Auch hier auf dem Lande gibt es junge Menschen, die in ihrem Leben noch nie einen Feldhasen gesehen haben. So selten sind die früher häufigen Bewohner der Feldfluren geworden, dass bundesweit ihr völliges Verschwinden befürchtet wird. Als sie noch die Spitzenstellung auf den Treibjagden einnahmen, war der Fortbestand der Art nie gefährdet; zu Hunderten kamen erlegte Hasen auf die Märkte. Die Jagd ist nicht Schuld am Niedergang der Mümmelmänner, weil vielerorts schon seit Jahren die wenigen Hasen nicht mehr geschossen werden. Und auch die Beutegreifer unter Vögeln und Säugetieren rotten die Hasen nicht aus; sie hat es schon immer – auch in hasenreichen Revieren – gegeben.

Auch Vögel verschwunden

Der Rückgang der Hasen in den letzten Jahrzehnten ist weitgehend zeitgleich mit dem Verschwinden der Feldlerchen und anderer Vögel der Agrarlandschaft. Die stete Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung nimmt den Lieblingstieren vieler Kinder und Erwachsenen die Existenzmöglichkeit und manchen Jägern auch den Ansporn, sich um die Pacht eines Niederwildreviers zu bemühen.
Noch aber lohnt es sich, die letzten ihres Stammes in ihrem Kampf ums Überleben zu unterstützen. Das A und O ist dabei die Schaffung von Deckung durch Hecken und kleine Gebüsche in der ausgeräumten Feldflur. Die ersten Ansätze zur Erhaltung von Wildland und von Blühstreifen müssten ausgeweitet werden. Auch ein stärkerer Zwischenfrucht-Anbau wäre hilfreich, um der populären und traditionsreichen Wildtierart auch im Herbst noch Deckung zu belassen. Allein die Betrachtung unseres Wortschatzes belegt die frühere Bedeutung der Hasen in unserem Kulturraum. Ein „alter Hase“ versteht sein Handwerk, ein „Angsthase“ ergreift das „Hasenpanier“, irgendwo „liegt der Hase im Pfeffer“. Vor allem aber gilt es auch, den Kindern den Stammvater der „Osterhasen“ zu erhalten. Nur die Redewendung „Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts“ hat nichts mit unserem Langohr zu tun. Sie stammt von einem Studenten, der sich 1843 mit diesem Satz als Zeuge vor einem Gericht vorstellte.

Viermal vier Junge

Von sich aus bringt der Feldhase gute Voraussetzungen zum Überleben in der offenen Kulturlandschaft mit. Drei- bis viermal im Jahr bringt die Häsin bis zu vier Junge zur Welt, die sich gleich vereinzeln und geschickt in der Vegetation verbergen. Als Schutz gegen Hunde und andere Raubtiere sind sie völlig geruchslos. Ihre Mutter kommt nur in großen Abständen, um sie zu säugen. Bei Gefahr rennt sie „wie ein Hase“ und bedient sich mit „Hakenschlagen“ und „aus der Spur springen“ jener Tricks, die jahrhundertelang die Koexistenz mit dem Menschen möglich machten.