Draußen beobachtet

Die Spatzen sind wieder im Dorf

Trupps lärmen im Efeu und in den Gebüschen
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 27.12.2017


MÖHNESEE – Sorgen um die Zukunft der Haussperlinge sind nicht mehr nötig. Noch vor einigen Jahren fürchteten viele Naturfreunde, die engsten Nachbarn des Menschen würden immer seltener und schließlich aus unseren Siedlungen ganz verschwinden. Inzwischen sind die Sperlinge wieder zahlreich in Dörfern und Städten vertreten, vielleicht nicht so allgegenwärtig wie einst, als man noch jedes Saatbeet mit alten Gardinen vor ihnen sichern musste.

Aber in allen Dörfern gibt es Orte, wo man ganze Trupps laut zwitschern hört: in Körbecke mitten im Dorf in einer Efeuwand, in den Siedlungen in dichten Gebüschen. Ganz offensichtlich hat sich die Population gut erholt. Dass man die fidelen Gesellen, deren Unterhaltung manchmal abrupt abbricht, oft nicht zu Gesicht bekommt, liegt daran, dass sie im Gehölz tief drinnen in der Nähe der Hauswand oder des Stammmes sitzen. Doch wie sie aussehen, weiß ohnehin jeder. Und dass man die Männchen am grauen Scheitel und der schwarzen Kehle von den durchweg braunen Weibchen unterscheidet, ist ebenfalls vielen Menschen bekannt.

Wie vertraut der Haussperling, der Passer domesticus, in Stadt und Land ist, ist schon daran zu erkennen, dass er hier wie dort denselben Rufnamen „Spatz“ hat. Und nicht nur das, „Spatz“ und „Spätzchen“ sind schon längst zu Kosenamen geworden. Und auch in die verschiedenen Redewendungen sind die gefiederten Nachbarn eingegangen. Die Spatzen „pfeifen es von den Dächern“, was der Dorftratsch so aktuell verbreitet, und der Flegel „hatte wohl Spatzen unter dem Hut“, als er selbst in der Kirche die Kopfbedeckung nicht abnahm. Dass „der Spatz in der Hand, der Taube auf dem Dach vorzuziehen ist“, hat schon mancher aus bitterer Erfahrung gelernt.

By Lucas Weitzendorf (Own work) [CC BY-SA 3.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Die Bindung der Spatzen an den Menschen ist so eng, dass in Kriegsgebieten, wo die Bevölkerung ganzer Dörfer mitsamt dem Vieh evakuiert wurde, auch die Haussperlinge verschwanden. Die Population der Haussperlinge zum „nationalen Erbe“ zu erklären, scheint nicht unbedingt geboten zu sein, aber missen möchte die braunen „Straßenjungen“ wohl niemand, auch wenn ihr „Gesang“ nicht für alle Ohren ein Genuss ist.