Draußen beobachtet

Hier finden Sie aktuelle Artikel von Professor Stichmann aus dem Soester Anzeiger.

 

Erschienen im Soester Anzeiger am 12.01.2016

Möhnesee – Wenn Gartenfreunde von der Pflanzengattung „Helleborus“ sprechen, meinen sie – zumal zur Winterzeit – die Art Helleborus niger, die Christrose. Es gibt aber noch mehr Helleborus-Arten, die auch in diesen Tagen in voller Blüte stehen und zu Deutsch „Nieswurz“ genannt werden. Eine der schönsten ist ausgerechnet die „Stinkende Nieswurz“, die man neuerdings wegen ihrer markanten Blätter auch „Palmblättrige Nieswurz“ nennt und die diesen ansprechenderen Namen durchaus verdienst.

Nur beim Zerreiben entlassen die Blätter einen unangenehmen Geruch. Ansonsten sind sie immergrün und besonders dekorativ. Die gefingerten Blätter bestehen aus sieben bis zehn schmalen Teilblättchen, die diese Helleborus-Art (Helleborus Foetidus) besonders elegant wirken lassen. Wenn man sie draußen in Laubwäldern antrifft, ist sie dennoch hierzulande nicht einheimisch, sondern ebenso wie die Grüne Nieswurz aus alten Gärten verwildert. Dort kultivierte man die giftigen Nieswurz-Arten als vielseitig wirksame Heilpflanzen.
Ihren Namen erhielten sie, weil aus ihren puvlerisierten Wurzeln ein Niespulver gewonnen wurde, das auch Bestandteil eines früher häufiger verwandten Schnupftabaks war.

Farblich sind die Blüten der Stinkenden Nieswurz nicht so schön wie die der Christrosen. Bei näherem Hinsehen aber gewinnen die hängenden grünen Blütenglöckchen durch ihre Zartheit und vor allem durch ihre Blütezeit, die auch dann in den Winter fällt, wenn dieser nicht so frostfrei ist wie gegenwärtig. In jedem Falle lohnte es sich, diese Art häufiger in heimische Gärten zu holen, zumal sie absolut winterfest ist. Und auch ihre Beschaffung ist kein Problem. Wo sie in den Gärten wächst, samt sie sich in der Regel selbst an und vermehrt sich. Und dass sie – übrigens ebenso wie die Grüne Nieswurz – an ihrem Standort Jahrhunderte überdauert, macht sie zu einem Weiser für versunkene, ehemalige Gärten und Parks von Siedlungen, Klöstern und Schlössern. Holländische Historiker haben für solche Überlebende aus früheren Siedlungsperioden den Namen „Stinzenpflanzen“ geprägt. St.

Zwei Seeadler im Hevetal
Die größten Greifvögel gaben eine Gastrolle

Erschienen im Soester Anzeiger am 05.01.2016

Möhnesee – Die letzte der monatlichen Wasservogelbestandsaufnahmen des Vorjahres nahm eine Sonderstellung ein. Die Schlibbeckebucht, der von den Wasservögeln bevorzugte Bereich im Naturschutzgebiet „Hevearm“, war von Enten und Haubentauchern komplett geräumt. Sie alle schwammen anderswo auf der großen Wasserfläche.
Der Grund für die ungewöhnliche Situation war schnell gefunden. In der Mitte der Bucht standen zwei  Seeadler, die bei dem niedrigen Wasserstand Mitte Dezember noch größer wirkten, als sie ohnehin schon sind. Schließlich sind sie Vertreter der größten Greifvogelart im Norden Europas und hierzulande extrem seltene Gäste.

Einer der beiden Adler rupfte – unmittelbar an der Wasserlinie stehend – eine Ente, die er offenbar kurz zuvor erbeutet hatte. Nach den grünlichen  Federn zu urteilen, war es eine männliche Stockente, die in den winterlichen Entenscharen keine  Seltenheit ist. Der zweite Adler wartete nur 15 Meter entfernt fast regungslos. Gut zehn Minuten verharrte er respektvoll, ohne sich dem Artgenossen mit seiner Beute zu nähern. Bei beiden Seeadlern handelte es sich um Jungtiere, die in ihren ersten vier Lebensjahren noch dunkle Schwanzfedern tragen, aber an ihrer Größe, dem mächtigen Schnabel und den fingerartig im Fluge gespreizten Flügelfedern gut zu erkennen sind. Ohne etwas von der Beute abbekommen zu haben, strich der zweite schließlich ab und verschwand im niedrigen Fluge über dem Wald im Hevetal.

Die Beobachtung der beiden Seeadler am 15. Dezember war der erste Nachweis dieser imposanten Vogelart in neuerer Zeit. Zu erwarten war sie allerdings, weil sich der  Brutbestand der Adler in Mecklenburg-Vorpommern gefestigt und sich eine Tendenz zur Ausbreitung nach Westen entwickelt hat. Vor allem Jungvögel dringen häufiger bis zur Weser und nach Ostwestfalen vor. Von dort bietet ihnen die renaturierte Lippe mit einer ganzen Reihe attraktiver Feuchtgebiete potentielle Lebensräume, die möglicherweise im Sommer 2015 einem jungen  Seeadler schon den Weg bis in das Ahsetal erschlossen. Von dort bis zur Möhne ist es dann nicht mehr weit.

Dass die Seeadler in absehbarer Zeit auch hierzulande als Brutvögel sesshaft werden, ist allerdings nicht zu erwarten. Dazu ist der Abstand zum ostdeutschen Brutgebiet, an dem sie traditionell festzuhalten pflegen, noch zu groß.
Eher ist da schon mit der Ankunft eines kleineren Verwandten, des Fischadlers zu rechnen, der fast alljährlich im Herbst und Frühling dem Möhnesee auf dem Zuge einen Besuch abstattet und in den Naturschutzgebieten auch schon einmal einige Tage verweilt. St.

Tropenpflanzen sind besonders empfindlich
Bislang herrschte noch kein richtiger Nachtfrost

Erschienen im Soester Anzeiger am 22.12.2015

Möhnesee – Im Garten blühen immer noch die letzten Rosen. Echten Nachtfrost hat es bislang nur an den wenigsten Orten im Möhnetal gegeben. In den Vorweihnachtstagen verzeichnet das Thermometer in Körbecke höhere Temperaturen als Ostern und am Pfingstmontag dieses Jahres. Selbst Tropenpflanzen hätten in Kübeln bislang draußen überwintern können. Dennoch ist es ratsam, auch Hibiskus, Korallenstrauch, Citrus-Arten und Engelstrompete wie gewohnt ins Winterquartier zu holen. Trotz milder Abende und günstiger Wetterberichte kann das Thermometer plötzlich kurz unter den Gefrierpunkt sinken, so dass die empfindlichsten Kübelpflanzen bereits Schaden nehmen.

Andere verkraften mühelos auch minus fünf Grad. Dazu gehören vor allem Südafrikaner und Pflanzen aus dem Mittelmeerraum. Bleibblumen und Agapanthus geht es selbst bei einigen Frostgraden in der Nacht draußen besser als in zu warmen Gewächshäusern und Wintergärten. Nur vorsichtshalber holt man Oleander ins Haus. Im vorigen Winter hätte man ihn getrost draußen lassen können. Einige Frostgrade schaden ihm weniger als der Lichtmangel und die Enge am Überwinterungsort. Generell gelten die Regeln, dass offene Blüten um zwei bis drei Grad empfindlicher  sind als die Laubblätter derselben Art und dass alte Pflanzen junge an Robustheit durchweg übertreffen. Wurzeln sind meistens besonders frostempfindlich, weshalb mit wenig Erde umgebene Stauden und Sträucher in Töpfen, Pflanzbecken und Trögen leichter erfrieren als ihre Artgenossen im regulären Gartenboden.

Für Erfolg beim Überwintern der Kübelpflanzen ist es wichtig, die übliche Gießdosis auf ein Minimum zu reduzieren. Nur Nadelgehölze und andere Immergrüne sollten – vor allem in Trockenjahren – möglichst gut wasserversorgt in den Winter gehen. Immergrünen Kübelpflanzen geht es am besten, wenn sie an einem kühlen, frostfreien Standort stehen und wenig Wasser bekommen. Auch draußen im winterlichen Garten gibt es günstige und weniger günstige Wuchsplätze. Als günstig erweist sich meistens ein windgeschützter Platz vor einer Mauer, aber möglichst nicht in praller Sonne.
Noch aber mag man kaum von Frost und Winter sprechen. Doch wichtig ist, jederzeit darauf gefasst zu sein, dass sich das Blatt wenden kann. Die gefiederten Wintergäste aus dem Norden Europas schwanken augenscheinlich auch noch zwischen Vorsicht und längerem Verweilen. Erst knapp die Hälfte ist im Hevetal und auf dem Wameler Seeabschnitt bereits eingetroffen, darunter auch Schellenten und Gänsesäger als echte Wintergäste. St.

Lackschäden durch Eicheln?
„Rollfrüchte“ brauchen Tiere zur Verbreitung

Möhnesee – Die Verbreitung der Pflanzenarten erfolgt auf unterschiedlichem Wege. Der Wind trägt Samen mit Hilfe von Härchen und Fallschirmchen davon. „Klettenfrüchte“ haften im Fell, an Klauen oder Schuhsohlen und lassen  sich so davontragen. Auch fließendes Wasser kann Samen weiterbefördern. Die Samen in den Beeren und in manchen anderen Früchten werden während der „Darm-Passage“ von Vögeln an einen anderen Ort transportiert und mit den Samen etlicher Kräuter schleppen sich die Ameisen ab, nur um sich die nahrhaften Ameisenanhängsel zu sichern.

Wer aber verbreitet etwa Eicheln und Kastanien, die nahezu senkrecht aus den Wipfeln auf den Boden fallen? „Plumpsfrüchte“ haben einige Biolehrer síe genannt. Dass sie am Berghang oft ein Stückchen bergab rollen oder beim Auftreffen auf der Erde noch einmal kurz aufspringen, bringt nicht viel. Die „Rollfrüchte“ brauchen den Sammeleifer von Eichelhähern und Eichhörnchen und gewisse Gedächtnislücken, die sicherstellen, dass ein Teil der versteckten Eicheln nicht wiedergefunden wird.

Bei den Rosskastanien umhüllt die stachelbewehrte Fruchtschale den von Kindern gern zum Basteln gesammelten Samen. Beim Aufprall platzt sie meistens auf. Der Same rollt zumindest eine kleine Strecke. „Rosskastanie“ wird er nicht nur genannt, weil Vieh und Wild ihn gern frisst, sondern auch abwertend gegenüber der im Mittelmeerraum gern gegessenen Esskastanie.
Die beiden einheimischen Eichenarten erhielten ihre Namen „Stieleiche“ beziehungsweise „Traubeneiche“ nicht nach ihren Blättern, sondern nach ihren Früchten, die für die Menschen früher als Mastfutter für die Schweine besonders interessant waren. Die 15 bis 25 Millimeter langen, eiförmigen Eicheln der Stieleiche sind mindestens 1,5 Zentimeter lang gestielt, die der Traubeneiche dagegen mehr oder weniger ungestielt. Zumindest im frischen Zustand weisen die Eicheln der Stieleiche dunkle Längsstreifen auf, die der Traubeneiche sind dagegen einfarbig braun. Sie sind übrigens nur kurze Zeit keimfähig, am besten unter feuchtem Laub oder auf feuchtem Boden, weil dort keimungshemmende Stoffe abgebaut werden können.
Wer als Autofahrer beim Stichwort „Eicheln“ meint, an Lackschäden denken zu müssen und ihre Begleichung vom Nachbarn oder von der Kommune gerichtlich einklagen zu können, sieht sich getäuscht. Abgesehen davon, dass die Rollfrüchte kaum solche hinterlassen dürften, gelten mögliche Schäden durch sie ebenso wie herbstliches Welklaub als „ortsüblich“, natürlich auch der von Linden abgeschiedene Zuckersaft. St.