Draußen beobachtet

Einst beliebte Blumengeschichten

Wie die Wegwarte und die Königskerze zu ihren Namen kamen

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 17.07.2019


MÖHNESEE – Um den Insekten Nahrung zu bieten, werden seit Beginn der Diskussion über das Insektensterben wieder mehr nektar- und pollenspendende Blütenpflanzen durch Aussaat vermehrt, darunter auch allerlei Wildblumen. Zu den schönsten Arten, die in Gärten und Blühstreifen stärker berücksichtigt werden sollten, gehören die Wegwarte und die Königskerze. Bislang sind sie auf der Haar und zwischen den Möhnedörfern nur vereinzelt anzutreffen.
Beide Wildblumen haben viele Gemeinsamkeiten. Sie besiedeln basen- und stickstoffreiche Böden auch an den trockensten Standorten und haben Namen, die durch volkstümliche Blumenmärchen erklärt wurde. Wir haben sie als Kinder gern gehört.
Ein junges Mädchen wartete nach dem Krieg wochen- und monatelang vergebens am Wegesrand auf ihren Liebsten, bis die Zeit sie in eine Blume mit blauen Blüten, dem Symbol der Treue, verwandelte, die Wegwarte. – Eine bis 2,50 m hohe Zweijahrespflanze mit vielen kurzgestielten gelben Blüten und dicht behaartem Stängel wurde der Sage nach in Pech getaucht und als Fackel vorangetragen, wenn der König nahte. Den Namen „Königskerze“ haben die Schüler im Gedächtnis behalten.

Foto: Angelika von Tolkacz

Die blaue Wegwarte und die stattliche Königskerze mit ihren vielen gelben Blüten sind eine echte Augenweide. Als zweijährige Arten kommen sie erst im zweiten Jahr zur Blüte, säen sich dann aber von selbst wieder aus. Die Wegwarte ist wie der Löwenzahn ein Körbchenblütler, hat aber als Besonderheit nur Zungenblüten. Diese öffnen sich normalerweise nur vormittags, bei feuchtem Wetter aber auch länger. Als Chicorée hat eine Zuchtform der Wegwarte nennenswerte wirtschaftliche Bedeutung erlangt. Die Älteren erinnern sich noch gewiss an den „Blümchen-Kaffee“, wie der Kaffee-Ersatz genannt wurde. Der kam bereits nach der Kontinentalsperre auf, noch anfangs des 20. Jahrhunderts wurden die Cichorien-Rüben in Deutschland in über 100 Fabriken verarbeitet und geröstet.
Beide Arten blühen den ganzen Sommer über und sind nicht nur schön, sondern auch für die Insektenwelt eine wertvolle Bereicherung. Es lohnt sich, nötigenfalls darauf zu drängen, dass ihr Saatgut in die Samenmischungen für eine mehrjährige Begrünung aufgenommen wird.