Draußen beobachtet

Entzündbare ätherische Öle

Eine der schönsten Blüten der heimischen Pflanzenwelt

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 15.06.2019


MÖHNESEE – Die wertvollste Pflanze in unserem Garten stammt von einer der Pflanzenbörsen, die es hier und dort im Lande gibt: Aus eigener Aufzucht und garantiert nicht verbotswidrig der Natur entnommen! So der offensichtlich ehrliche Gartenfreund. Die Pflanze blüht nun schon seit über einem Jahrzehnt Jahr für Jahr, pünktlich zwischen Mai und Juni. Es ist der Diptam, der auch in seiner Heimat, in trocken-warmen Landstrichen Süddeutschlands, vor allem aber Südeuropas, eine schützenswerte Seltenheit ist. Von seinen rosaroten, dunkler gebänderten Blütenblättern weisen vier nach oben und zur Seite, nur das fünfte nach unten. die vier bis fünf großen Blüten des Diptams, die zu zehn bis zwanzig in einer Traube am Stängel stehen, gehören zu den schönsten der europäischen Flora, ihnen entströmt ein angenehmer zimtartiger Duft. Er umhüllt die Staude als Duftwolke, deren ätherische Öle an windstillen, sonnig-warmen Tagen mit einem brennenden Streichholz entzündbar sind, ohne dass die Pflanze dadurch Schaden nimmt. Manche Natur- und Gartenfreunde – nicht unbedingt Theologen und Schriftgelehrte – sind fest davon überzeugt, dass der Diptam der „brennende Dornbusch“ ist, durch den Gott auf dem Sinai zu Moses sprach.

Foto: Angelika von Tolkacz

Eine Besonderheit ist der Diptam auch insofern, dass er in Europa wild wachsend der einzige Vertreter der Rautengewächse ist, die schwerpunktartig in den Tropen beheimatet sind. Seine ungewöhnlich langen, gestielten Staubgefäße streben bogig gekrümmt aufwärts und dienen den Bestäubern, meistens größere Insektenarten, als Landeplatz. Die Laubblätter sind den Eschenblättern ähnlich, also unpaarig gefiedert.
Obwohl der Diptam nun schon seit vielen Jahren der Ehrengast in einem „Naturgarten“ ist, bedeutet das nicht, dass die anderen dort vertretenen Arten draußen in Wald und Flur ausgegraben wurden. Viele seltenere Blütenpflanzen – nicht nur sämtliche Orchideen und vor allem der Frauenschuh – sind gesetzlich geschützt. Weil fast alle Blütenpflanzen problemlos aus Samen gezogen werden können und nötigenfalls im Fachhandel erhältlich sind, sollten alle Stauden, die in der betreffenden Region nur vereinzelt vorkommen, an ihrem natürlichen Standort unangetastet bleiben.