Draußen beobachtet

Johannistag: Noch einmal frisches Laub

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 28.06.2019


MÖHNESEE – Nach der Sommersonnenwende markiert der Johannistag, der 24. Juni, einen Zeitabschnitt der Mittsommerzeit, den unsere Vorfahren unter diesem Namen kannten. Der zweite Laubaustritt, der sich – vor allem bei den Eichen – durch helleres Grün und kleinere Blätter auszeichnet, wird danach „Johannistrieb“ genannt. Er ist besonders prägnant und wichtig, wenn die Bäume schon bald nach dem Laubaustrieb – etwa durch Eichenwickler oder Spätfrost – ihr Laub verloren haben. Weil der zweite Austrieb einem Vorgriff auf das nächste Jahr entspricht, wäre ein erneuter Ausfall der Belaubung das Todesurteil für den betreffenden Baum.
Ebenfalls um den Johannistag ist auch bei einigen anderen Gehölzen ein zweiter Austrieb zu beobachten, am deutlichsten bei der Hainbuche, aber auch bei einigen Nadelbäumen wie der Lärche.
Nach Johannes dem Täufer sind auch eine alte und eine vergleichsweise junge Kulturpflanze benannt: Johannisbrotbaum und Johannisbeere. Aus Syrien stammt und in Kleinasien als Volksnahrungsmittel verbreitet ist der Johannisbrotbaum, der mit anderen heimischen Hülsenfrüchten wie Erbse und Bohne verwandt ist. Er trägt bis zu zwölf Zentimeter lange Hülsen mit süßlichem Fruchtmark. Von dem soll sich Johannes der Täufer in der Wüste ernährt haben. Einige Wissenschaftler sind davon überzeugt, dass es sich dabei um den „wilden Honig“ gehandelt habe.

Foto: Angelika von Tolkacz

Noch bis ins 16. Jahrhundert aus Kulturpflanze unbekannt war die Johannisbeere, deren Früchte um den Johannistag reif werden. Als Strauch kommt sie im Unterholz feuchter heimischer Wälder vor. Der säuerliche Geschmack der großen Beeren verschiedener Zuchtformen ist gewöhnungsbedürftig. Die Schwarze Johannisbeere hat zum Einzug in die Gärten noch länger gebraucht.
Eine alte und junge Wildstaude ist das hierzulande heimische Tüpfel-Johanniskraut, das auch Hartheu genannt wird. Das blutrote Hypericin, das beim Zerdrücken einer Blütenknospe an den Fingern einen roten Fleck hinterlässt und im Volksmund als „Johannisblut“ gilt, hat in der Medizin früherer Zeiten als entzündungshemmender Stoff eine Rolle gespielt. Die moderne Medizin hat den Wert des Johanniskrauts inzwischen wiederentdeckt.