Draußen beobachtet

Kirschblütenfest

Ein uralter Obstbaum aus heimischen Wäldern
Erschienen im Soester Anzeiger am 22.04.2017


MÖHNESEE – Lebten wir in Japan, könnten wir uns in diesen Tagen auf eines der schönsten Feste im Jahreslauf vorbereiten. Schon aus der Ferne ist
zu erkennen, wie sich die Wildkirschbäume im Brandholz und in der Bischofshaar über und über in ein weißes Kleid gehüllt haben. Auch die Waldränder im Naturschutzgebiet „Kleiberg“ wirken zurzeit der Kirschblüte märchenhaft schön. Die Vogel- oder Waldkirschen sind die Stammeltern unserer Edelkirschen und diesen weiterhin so ähnlich, dass sie als Unterlagen für die Veredelung verschiedener Zuchtformen Verwendung finden.

Schon im vierten Jahrhundert vor Christi Geburt sind die Kirschen in Kleinasien in Kultur genommen worden. Erst die Römer haben unsere Vorfahren in Mitteleuropa mit Kulturformen des Kirschbaums vertraut gemacht. Die wildwachsende Vogelkirsche ist ein Waldbaum, der bis zu 25 Meter hoch werden kann. Er wächst weniger in Sauerländer Wäldern als vielmehr auf nährstoffreichen Lehmböden der westfälischen Bucht. Im April blühen die Kirschen und spenden den Bienen reichlich Pollen und Nektar. Gleichzeitig mit den Blüten entfalten sich die Blätter, die an ihrem Stiel zwei bis drei geheimnisvolle rote Drüsen tragen. Diese winzigen Gebilde lohnen eine nähere Betrachtung, zumal ihre Funktion immer noch nicht zweifelsfrei geklärt ist.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Schüler und Studenten haben die Drüsen früher als „Polizistenfutter“ kennengelernt, weil man vermutete, dass sie Zuckersaft aussondern und damit Ameisen anlocken, die schädlingsfressende Insekten auf Blättern und Blüten erbeuten. Heute wird diese einleuchtende Geschichte angezweifelt. Die Drüsenfunktion soll der Stabilisierung des Zelldrucks dienen. Vielleicht dienen die Drüsen, an denen Kirschen zu erkennen sind, aber auch mehreren Funktionen.

Die Beeren haben viele Liebhaber, vor allem Vögel und kleine Säugetiere. Stare und Drosseln sind zur Reifezeit der Steinfrüchte hier gleich scharenweise zu Gast. Und sogar der Fuchs verrät sich als Feinschmecker für Süßes, indem er Kirschkerne in seinem Kot zurücklässt. Dem Menschen sei angeraten, die Kerne auszuspucken, weil sie Blausäure enthalten. Und auch noch nach dem Laubfall im Frühwinter interessiert sich mancher für die winterkahlen Zweige, an denen sich die Blüten zur Weihnachtszeit öffnen sollen, wenn sie um den Barbartag (4. Dezember) geschnitten und in warmes Wasser gelegt werden. Um diese Zeit ist in der Regel bei einem Monat kalter Temperatur der Abbau des Blütenhemmstoffs vollzogen und Zimmertemperatur in der Lage, die Kirschblüten und die Blüten etlicher anderer Blütenzweige hervorzulocken.