Draußen beobachtet

Kleine Käfer- große Wirkung

Borkenkäfer suchen die Fichtenwälder heim

Von Prof. Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 8.05.2019


MÖHNESEE – Seit dem letzten Sommer sind, vor allem in den waldreichen Regionen, die Borkenkäfer ein häufiges Gesprächsthema. Wo und wie aber leben diese Käfer, die Schuld an der größten Käferkatastrophe der letzten Jahrzehnte haben?
Bei den „Borkenkäfern“ handelt es sich um zwei Arten der riesigen Käferfamilie, aus der in Europa zirka 150, weltweit aber 4600 Angehörige bekannt sind. Es sind dies der vier bis fünf Millimeter große Buchdrucker und der mit zwei Millimeter noch kleinere Kupferstecher. Diese knappen Streichholzkopf großen Winzlinge lassen im Arnsberger Wald tausende Fichten absterben und gewohnte Waldbilder sich wandeln. Die Katastrophenstürme Friederike und Eberhard haben der Massenvermehrung der Käfer den Weg bereitet.
In diesen Tagen – zwischen Mitte April und Mitte Mai – bei Temperaturen um 18 Grad verlassen die Buchdrucker die dickborkige Rinde im unteren Stammabschnitt der Fichten und den Waldboden, wo sie den milden Winter unbeschadet überstanden haben. Sie sind gute Flieger und schwärmen weit aus. Die Männchen bohren in die Rinde durch die Stürme gefallener oder durch die Trockenheit geschwächter Fichten eine sogenannte „Rammelkammer“, in der die Weibchen begattet werden. Diese fressen unter der Rinde die „Muttergänge“, die etwa zehn Zentimeter lang sind und in die sie bis zu 100 Eier ablegen. Aus diesen schlüpfen – meistens nach knapp zwei Wochen – die Larven. Sie fressen – jede für sich – und rechtwinkelig zum Muttergang – in vier bis fünf Wochen die „Larvengänge“, die zum Ende breiter werden und in der „Puppenwiege“ enden. Nach ein- bis zweiwöchiger Puppenruhe können schließlich die Jungkäfer den Baum verlassen.
Sie sorgen im Sommer für einen zweite und im Extremfall – wie im Dürresommer 2018 – auch für eine dritte Generation. Die geschwächten Fichten können sich nicht zuletzt wegen eines verminderten Harzflusses kaum gegen die Eindringlinge wehren, die den Bast zerstören und bei Massenvorkommen der Käfer auch eine anfangs gesunde, 30 Meter hohe Fichte innerhalb weniger Wochen zum Absterben bringen.
Der Kupferstecher ist der kleinere Kompagnon des gefährlicheren Buchdruckers und befällt die oberen, dünneren Stammabschnitte und Zweige. Beide Arten sind in den hiesigen Fichtenwäldern allgegenwärtig, aber erst bei durch die Witterung ausgelöster Massenvermehrung eine Gefahr für den Wald und dessen wirtschaftlicher Nutzbarkeit.
Gegenmaßnahmen gegen Borkenkäfer-Kalamitäten gibt es kaum. Die ständige Beobachtung der Fichtenbestände ist in heimischen Wäldern bei Reviergrößen von 1500 bis 2000 Hektar personell nicht möglich. Das frühzeitige Fällen und Entrinden befallener Fichten ist bei dem Ausmaß der Katastrophe kaum zu organisieren, zumal im Nachbarrevier die Arbeitskräfte zur selben Zeit ebenfalls gebraucht werden. Bleibt nur der Versuch, die befallenen Stämme möglichst schnell aus dem Wald und gegebenenfalls in ein Nasslager zu holen.
Die mit Sexuallockstoffen speziell für Buchdrucker ausgestatteten Pheromonfallen, die man früher in den Wäldern häufiger sah, hätten in einem solchen Katastrophenfall auch wenig genutzt. Und geeignete chemische Gifte, die in der Forstwirtschaft grundsätzlich vermieden werden, gibt es speziell zur Borkenkäfer-Bekämpfung kaum, vor allem wenn man die übrigen Glieder der Waldlebensgemeinschaft vor Kollateralschäden bewahren will.
So bleibt nur die Hoffnung, dass der Staat den von Sturm- und Käferkatastrophe existenziell betroffenen Waldbesitzern hilft und sie beim Aufbau neuer, gemischter und stabiler Waldbestände unterstützt.