Draußen beobachtet

Kormorane haben nicht nur Freunde

Am Sammelplatz im Hevetal in wechselnder Zahl

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 18.12.2019


MÖHNESEE – Im Gemeindegebiet können die Kormorane als allgemein bekannt gelten. Das war nicht immer so. Noch vor 30 Jahren waren die Kormorane so seltene Gäste am Möhnesee, dass Vogelkenner aus dem Ruhrgebiet anreisten, um die Vogelart im Naturschutzgebiet „Hevearm des Möhnesees“ näher kennenzulernen. Dank der Vogelschutzrichtlinien der EU haben sich die Kormoranbestände inzwischen wieder erholt. Heute sieht man die entengroßen dunklen Vögel hin und wieder nicht nur am Möhnesee, sondern auch an der Lippe und an noch kleineren Gewässern.
Einzeln und in kleinen Trupps begegnet man Kormoranen manchmal überall am See. Im Flugbild sind sie leicht zu erkennen, weil sie gleich lange Hälse und Beine haben. Die Enten und Gänse und erst recht die Reiher strecken im Fluge nur die Hälse deutlich aus. Noch unverkennbarer sind die Kormorane, wenn sie am Ufer sitzen und ihre Flügel zum Trocknen ausbreiten.
Das ist nötig, weil sie im Gegensatz zu anderen Schwimmvögeln keine Fettdrüsen haben und somit ihr Gefieder nicht gegen Nässe schützen können.
Ungewöhnlich ist die wechselnde Zahl der Kormorane, die am Möhnesee zum Fischfang weilen. Die ist leicht zu ermitteln, weil sich die geselligen Taucher, wenn sie gesättigt sind, schon am frühen Nachmittag im Hevetal versammeln, um von dort aus zu ihrem Schlafplatz zu fliegen. Da sie in langer Reihe sehr geordnet abheben, sind sie von dem mittleren Balkon auf der Hevehalbinsel aus recht genau zu zählen. Um die August-September-Wende waren es über tausend Tiere von denen die Hälfte noch vor Dämmerungsbeginn zum Schlafplatz in Randbäume des Natursees Niederense aufbrach. Etwa die andere Hälfte blieb 20 Minuten länger und bezog dann die Schlafbäume am Rande der Schlibbeckebucht im Hevetal.
So faszinierend der Anblick auch war: Die große Schar erschrak auch die passioniertesten Vogelfreunde. Aber zum Glück sind so große Ansammlungen am Möhnesee immer auf wenige Tage im Spätsommer beschränkt. Das übrige Jahr hindurch zählt man nur wenige, meistens nur um die Hundert und manchmal noch weniger Kormorane. Und die Belastung der Fischfauna hält sich in Grenzen.
Der merkwürdige Vogel, der flügelschlagend unter Wasser den Fischen nachstellt, trägt einen erklärungsbedürftigen Namen. Der Name „Kormoran“ ging aus dem Lateinischen „corvus marinus“ hervor, was übersetzt „Meerrabe“ heißt. Und in der Tat sind die meisten Kormorane Meeresbewohner und fast so schwarz wie ein Rabe.
Die Rückkehr der Kormorane hat die heimische Vogelwelt bereichert und den Naturfreunden im Wechsel der Jahreszeiten am See wechselnde Naturbilder beschert, darunter für wenige Tage eine Massenversammlung einer Vogelart, die schon einmal ganz von der Bildfläche verschwunden war.