Draußen beobachtet

Kunstlicht ist lebensfeindlich

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 17.04.2019


MÖHNESEE – Über das Insektensterben wird allgemein geklagt. Die Insektizide, vor allem in der Landwirtschaft gebrauchte chemische Mittel seien daran schuld, meinen viele. Der Name Insektizid sage schon, dass sie in Tötungsabsicht eingesetzt werden. Aber auch das Licht ist ein „Insektenkiller“ erster Ordnung. Und daran denken nur wenige.
In vielen Millionen Jahren haben sich Tiere und Pflanzen auf dem Wege der Evolution dem Tag-Nacht-Zyklus angepasst. Erst seit knapp 200 Jahren hat der Mensch auf dem größten Teil der Erde die Nacht zum Tag gemacht, und das mit zunehmender Tendenz. Dass das nicht ohne Folgen bleiben kann, ist eigentlich selbstverständlich, aber wird nur selten bedacht.
Die Erfindung der Glühlampe hat unser Leben zweifellos bereichert. Von der Straßenbeleuchtung über die Leuchtreklame und die Flutlichtanlagen haben wir schrittweise auch die Nacht dem Menschen untertan gemacht wie zuvor schon den Wald, das Wasser und die Atemluft. Die Folgen sind der Flächenschwund, die Luft- und die Wasserverschmutzung, und – bislang zu wenig beachtet – die Lichtverschmutzung.
Licht bedeutet Sicherheit, Sichtbarmachung von Schönheit und Gelegenheit zur Werbung. Aber falsch und maßlos eingesetzt auch Verschwinden eines Natur- und Kulturgutes. Wann und wo haben Sie das letzte Mal die „Milchstraße“ gesehen? In den Städten gibt es keinen „Sternenhimmel“ mehr, der früher in der Erlebniswelt des Menschen eine große Rolle spielte, wie uns Literatur und Musik überliefern.
Erst in jüngster Zeit haben Ökologen sich intensiver mit den Auswirkungen der Streuung des Kunstlichtes befasst und bereits verheerende Folgen – vor allem für die Insektenwelt – festgestellt. Wie das Licht Insekten anzieht, haben viele Menschen schon erlebt, aber dass unter einer einzigen Straßenlaterne in einer Nacht über 150 Insekten getötet wurden, die vom Licht angelockt aufprallten oder verglühten überrascht schon, in Wassernähe ist die Gefahr für Insekten am größten.
Umweltverbände fordern deshalb, dass neue Beleuchtungseinrichtungen nur genehmigt werden dürfen, wenn die Notwendigkeit nachgewiesen werde und die Beleuchtungsstärke und die Art des Lichtes vorher bedacht worden seien.