Draußen beobachtet

Landschaft im Wandel

Grünland bekommt Seltenheitswert
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 10.10.2017


MÖHNESEE – Heimat- und Naturfreunde vernehmen staunend, in welch vergleichsweise kurzer Zeit im 19. Jahrhundert im Münsterland die riesigen Heide- und Moorflächen verschwunden sind. Nur selten macht man sich klar, dass auch in unserer Zeit der Landschaftswandel in rasanter Geschwindigkeit weiter geht. Der Ausblick vom Bismarckturm aus auf die Haar und in die Soester Börde, der heute von Windrädern beherrscht wird, hat sich in so kurzer Zeit gewandelt, wie noch vor zwanzig Jahren niemand erwartet hätte.
Aber das ist nicht alles! Als die Grenzen in Europa fielen, bewunderte man die Größe der Ackerschläge in der ehemaligen DDR. Heute sieht man vom Turm aus bereits ähnlich große Schläge, die zur Zeit der Rapsblüte am deutlichsten ins Auge stechen. Die Vielfalt der Strukturen, der alten Wege, der Raine und Gebüsche ist verschwunden. Nach Vieh auf den Weiden sucht man vergeblich. Grünland ist inzwischen so selten wie die blühende Heide in den Sandgebieten des westlichen Münsterlandes.
Noch nach dem zweiten Weltkrieg gab es auf der Haar Weideland und Viehherden. Nicht nur hier, sondern im ganzen Gemeindegebiet und weit darüber hinaus bis tief in das Sauerland hinein ist ein ganzer Lebensraum auf dem Rückzug. Was einst den Heiden widerfuhr, droht heute den Wiesen und Weiden und damit der Pflanzen- und Tierwelt ganzer Ökosysteme, die schon heute zu verschwinden droht. Nur an wenigen Orten wie im Möhnetal oberhalb von Völlinghausen kann der Naturfreund noch Wiesen erleben, wenn auch schon nicht mehr in der ursprünglichen, schwach gedüngten Form. Weideland wie zwischen Stockum und Wamel gab es früher vielerorts. Bald wird man es wie die letzten Heidereste hegen und pflegen müssen, wenn man es als historische Landnutzungsform bewahren möchte.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Offenland wie das Naturschutzgebiet am Kleiberg zwischen Büecke und Hiddingsen hat jetzt bereits Seltenheitswert. In den mittleren und höheren Lagen des Sauerlandes wird von Jahr zu Jahr mehr Grünland durch Energiepflanzen, vor allem durch die Expansion des Maisanbaus verdrängt. Und auch auf der Haar kann man die jüngste Phase des Landschaftswandels beobachten: auf Gerste und Weizen folgt immer mehr Mais, es sei denn es wird regulierend eingegriffen. Intensivnutzung und Großflächigkeit haben bereits jetzt die Artenvielfalt der Tier- und Pflanzenwelt schrumpfen lassen, was allein schon im Gefolge des Landschaftswandels zu erwarten war.