Draußen beobachtet

Landschaftswandel rund um den Turm

Die Vielfalt der Tier- und Pflanzenwelt schwindet
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 2.12.2017


MÖHNESEE – Beim Ausblick vom Bismarckturm aus ist der Wandel der Kulturlandschaft besonders deutlich sichtbar. War in der Vergangenheit der Rückgang des Weidelandes zu Gunsten reiner Ackerschläge ein Thema, dem das Aufkommen der Windkraftanlagen folgte. Augenblicklich verändern auch auf der Haar die ersten Maisfelder das Landschaftsbild, auf das sich auch das Wachstum der Schlaggröße auswirkt. Schon seit etlichen Jahren ist zu beobachten, wie die Kleinräumigkeit schwindet und immer größere Flächen zusammenhängend bewirtschaftet werden.
Agrarökologen der Universität Göttingen haben durch exakte Vergleiche groß- und kleinräumig strukturierter Landschaften belegt, dass nicht nur die Art der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung (traditioneller oder ökologischer Landbau), sondern auch die Schlaggröße die Artenvielfalt der Pflanzen- und Tierwelt beeinflusst.

Durch kleinere Schläge geprägte Landschaften mit mehr Feldrändern und Randstrukturen, mit mehr Wegen und vielfältigerem Wechsel der Kulturen zeichnen sich durch eine höhere Biodiversität aus. Die Vielfalt verringert sich mit der Zunahme weniger großer Schläge. Die Wanderer und Naturfreunde, die sich den Kopf zerbrechen, warum sie keine Hasen und Rebhühner mehr sehen und nur selten eine Lerche singen hören, müssen die Veränderung der Landschaft mit zur Erklärung heranziehen.

Quelle: Heimatverein Möhnesee e.V.

Nach Ansicht der Göttinger Wissenschaftler fördert die Kleinräumigkeit die Artenvielfalt in ähnlichem Maße wie der Ökolandbau, finde aber in der Förderung im Rahmen der EU-Agrarpolitik bislang noch keine Aufmerksamkeit. Eine ganze Anzahl unterschiedlicher Faktoren – von der Agrochemie bis zur Entstehung immer größerer Schläge – haben die Landschaft verarmen lassen.
Der Zusammenhang zwischen dem Insektensterben mit seinen Ausirkungen auf direkte Belange des Menschen ist möglicherweise leichter zu durchschauen als der zwischen dem Verlust der Kleinräumigkeit und dem Verschwinden etlicher Tier- und Pflanzenarten. Doch erst mit der Berücksichtigung einer Vielzahl umweltbelastender Faktoren wird das aktuelle Artensterben umfassender erklärbar.