Draußen beobachtet

Merkwürdige Gebilde in kahlen Bäumen

Wann es sich um Misteln, Nester oder Hexenbesen handelt

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 16.03.2019


MÖHNESEE – In manchen winterkahlen Bäumen sind merkwürdige Gebilde zu sehen, die zu Fragen Anlass geben. Die meisten haben eine von drei Ursachen, die sehr unterschiedlicher Natur sind und jede für sich einer besonderen Erklärung bedürfen.
Am häufigsten handelt es sich inzwischen auch in der Gemeinde Möhnesee um einen fast runden, auch im Winter grünen Parasiten: Die Mistel, die in früheren Jahren auf die Hellwegregion beschränkt war. Inzwischen dringt sie immer stärker über den Haarstrang ins Möhnetal vor. In Ellingsen, unterhalb der Möhneseeklinik, oberhalb der Sperrmauer und an einigen weiteren Stellen hat sie sich bereits in älteren Pappeln angesiedelt. Auch Linden und Apfelbäume kommen als Mistelwirte in Betracht, auf der Hevehalbinsel als landesweite Ausnahme sogar die Esche.
Die Mistel ist ein Halbschmarotzer, der das Wasser aus einem Wirtsbaum bezieht, die Kohlehydrate aber selbst produziert. Vögel, die die Mistelbeeren fressen und die Samen mit dem Kot wieder ausscheiden, sorgen für die Verbreitung. Meistens sind auf einem befallenen Baum gleich mehrere Misteln.

Ebenfalls kugelig und Misteln ähnlich sind die Nester, die Elstern – weithin sichtbar – meist im Wipfelbereich von Laubbäumen bauen. Die rundliche Form erhalten sie durch das Dach, das den Einblick in den mit einer Lehmmulde ausgestatteten „Kobel“ erschwert. Als Nachmieter in vorjährigen Elsternnestern kommen andere Vogelarten in Betracht, gelegentlich sogar die sonst an Gebäuden brütenden Turmfalken.
Besonders interessant ist die dritte und zugleich seltenste Art rundlicher Gebilde, meistens in Birken, Hainbuchen, Kirsch- und Pflaumenbäumen, gelegentlich aber auch in anderen Laubbäumen. Der Name „Hexenbesen“ deutet darauf hin, dass schon die Vorfahren diese merkwürdigen Bildungen beachtet haben und sie zu erklären versuchten.
Inzwischen ist mehr über die Entstehung solcher Wuchsanomalien bekannt. Meistens sind es parasitäre Schlauchpilze, die viele „schlafende Augen“ des befallenen Baumes gleichzeitig austreiben lassen, so dass sich ein besenartiges Gebilde ergibt. An der Bahnhofstraße in Wamel kann man seit Jahren auf einem Baum mehrere „Hexenbesen“ sehen.