Draußen beobachtet

Nun vier verschiedene Gänse im Hevetal

Die Blässgänse sind Wintergäste aus Nordsibirien

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 15.01.2020


MÖHNESEE – Vor 60 Jahren waren wilde Gänse am Möhnesee so gut wie unbekannt. Heute sind Wildgänse den Einheimischen wohlvertraut. Die ersten Gänse gehören seit Beginn der 60er-Jahre zu den ständigen Gästen im Naturschutzgebiet im Hevetal. Es waren Graugänse, Nachkommen von Jägern im Münsterland wieder eingebürgerter Gänse. Knapp zehn Jahre später kamen die ersten Kanadagänse und nur weitere acht Jahre danach die ersten Nilgänse, die weder aus Kanada noch vom Nil anreisten. Beide Arten, die sich stark vermehrt haben, stammen letztlich aus Zoos oder von Parkteichen, wo Menschen sie ausbrachten, aber versäumten, sie rechtzeitig flugunfähig zu machen. Nicht nur den Ornithologen, auch den Laien fällt es nicht schwer, die drei Gänsearten zu unterscheiden, zumal sie oft auf geringe Distanz zu beobachten sind.
Neuerdings ist im Winterhalbjahr eine vierte Gänseart hinzugekommen, die Experten schon länger erwarteten. Es handelt sich um die Blässgans, die als Wintergast aus Nordsibirien alljährlich zu Tausenden am Niederrhein erscheint. Nachdem auf Veranlassung der Arbeitsgemeinschaft Biologischer Umweltschutz an der Ahse und der Lippe größere Schutzgebiete ausgewiesen und wieder vernässt wurden, war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch dort die ersten Trupps Blässgänse einstellten. Inzwischen ist die vierte Gänseart auch im Möhnetal eingetroffen. Die Blässgänse, die wie die Graugänse zu den graubraunen Gänsen gehören, sind nur etwas kleiner als diese. Sie unterscheiden sich durch weiße Federn am Schnabelgrund, denen sie auch ihren Namen verdanken (weiße Blässe). Wenn sie auf dem Feld oder dem Eis sitzen, fällt im Bauchgefieder eine unregelmäßige schwarze Bänderung auf. Den jungen Blässgänsen fehlen diese Merkmale; sie ähneln deshalb den Graugänsen. Da sie fast immer in Trupps gemeinsam mit den Altvögeln auftreten, sind sie leicht als Blässgänse zu identifizieren.
Die vierte Gänseart, übrigens die erste, die ohne Mitwirkung des Menschen zu uns gelangte, ist im Hevetal nicht zuletzt auch durch ihre melodische Stimme aufgefallen. Im Trupp erinnert sie an das Gebell einer Meute kleiner Hunde. Da sich die Blässgänse am Niederrhein den ganzen Winter über seit vielen Jahren durch auffallende Ortstreue auszeichnen, ist damit zu rechnen, dass ihnen auch am Möhnesee noch viele Winterwanderer und Vogelfreunde begegnen werden.