Draußen beobachtet

Pollenstaub überall

Pollenkörnchen
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 5.05.2018


MÖHNESEE – Die einen beklagen sich über täglich immer neuen Staub auf dem gewienerten Auto, die anderen über verschmutzte Fensterbänke. Am schlimmsten ist es in der zweiten April- und in der ersten Maihälfte. Alle Jahre wieder ist nicht der starke Südwind mit Sahara-Staub der Verursacher, sondern der heimische Wald mit der Baumblüte am Rande des Arnsberger Waldes mit seinen großen Fichtenbeständen.
Aber nicht nur die männlichen Blüten der Fichten, sondern fast aller heimischer Baumarten, der Gräser und des Roggen produzieren den Pollen, der in ganzen Wolken über dem Land schwebt und überall niedergeht. Die Pollenkörnchen sind nur tausendstel Millimeter große und mit einer besonders derben Außenhülle umgeben und so unterschiedlich, dass Experten erkennen können, von welcher Pflanzenart sie stammen.
So ärgerlich der Staubbelag auf Autos und Gartenmöbeln auch ist, wirklich zum Problem wird der Blütenstaub für jene Mitmenschen, die überempfindlich für Pollen sind und alljährlich mehr oder weniger schlimme Phasen durchleben müssen.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Doch trotz allem hat die Massenproduktion der Pollenwolken auch ihre positiven Seiten. Sie garantiert die Bestäubung (Befruchtung) der Baumarten, der Gräser und Mancher Kräuter, die nicht von Insekten gezielt aufgesucht werden, sondern die Übertragung der männlichen Geschlechtszellen dem Wind und damit dem Zufall überlassen.
Dennoch sind diese „Windblütler“ auch für Insekten bedeutsam. Pollen ist beispielsweise für Bienen eine wichtige Nahrung. Und für den Menschen ist der Niederschlag der Staubwolken auf den Boden sogar die Voraussetzung einer ganzen Wissenschaftsdisziplin, der wir unsere Kenntnisse über die Geschichte der Vegetation, speziell der Wälder früherer Jahrhunderte und Jahrtausende verdanken. Mancherorts sind die Pollenkörnchen auf und in feuchten, moorigen Böden konserviert worden. Die Pollenanalyse, die die Unmenge der Pollen, ihre artspezifische Größe und Erscheinung sowie ihre Derbheit und Langlebigkeit nutzt, ist schon längst zu einer eigenständigen Forschungssparte geworden.
Für Historiker leistet sie wertvolle Hilfsdienste. Ständig wird der Blütenstaub früherer Zeiten zur Lösung früher oft nicht lösbarer Fragen herangezogen.