Draußen beobachtet

Samen gehen auf die Reise

Pusteblumen eröffneten die Fernreisesaison
Erschienen im Soester Anzeiger am 24.05.2017


MÖHNESEE – Schon Jahrmillionen vor Lilienthal beherrschten Pflanzenarten das Fliegen als Fortbewegen in der irdischen Atmosphäre.
In der vorletzten Woche war überall ringsum der Beginn einer großen Flugsaison zu beobachten, als sich Milliarden Löwenzahn-Samen auf die Reise begaben. Dieses bewundernswerte Naturphänomen, das wir praktisch überall erleben können und allen Kindern bewusst machen sollten, lässt sich ungezählte Blütenstände der Kuhblumen, wie der Löwenzahn auch genannt wird, fast auf den Tag genau gleichzeitig öffnen. Schon zwei Tage später hat sich das gelbe Blütenmeer in ein Heer grauer Pusteblumen verwandelt.
Unmittelbar vor der Haustür offenbart sich uns Jahr für Jahr ein Phänomen, das durch den synchronen Ablauf fasziniert und bei näherer Betrachtung zu weiteren Fragen Anlass gibt. In kürzester Zeit entwickelt sich aus dem haarförmigen Kelch ein perfektes Fallschirmchen, das in der Luft schwebend den Samen vom Wind weit davontragen hilft. Ein solches Fallschirmchen einmal unter der Lupe zu betrachten, lohnt sich.

Dass ausgerechnet in diesen zwei Tagen der Stängel, der die runde „Pusteblume“ trägt, noch einmal zu wachsen beginnt, wird dem Naturfreund so recht bewusst, wenn er einzelne Löwenzahn-Exemplare markiert und die Stängel am Tage der Öffnung des Blütenstandes und zwei Tage später unter der Pusteblume vermisst. Auf dem verlängerten Stängel werden die Fallschirmchen dem Wind entgegengestreckt.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Alles ist optimal auf den Start vorbereitet.
Übrigens findet man ähnliche Flugvorrichtungen bei anderen heimischen Körbchenblütlern, besonders kunstvolle Fallschirme übrigens beim Wiesenbocksbart. Dieselbe Funktion zum Fliegen, nur einfacher, haben die Haare an den Samen von Weiden und Pappeln, die demnächst in ganzen Flocken vom Wind über den Weg gewebt werden. Einer anderen Methode, ihren Samen das Fliegen zu erleichtern, das heißt die Fallgeschwindigkeit zu vermindern, bedienen sich Baumarten wie der Ahorn oder die Fichte. Ihre Samen haben steife Flügel oder Propeller, ebenfalls kleine Wunderwerke der Natur.

Und wozu der ganze Aufwand und die Genialität? Um der jeweiligen Art den Fortbestand zu sichern und nicht zuletzt auch die Ausbreitung und Vermehrung. Und wenn auch nur einer von Tausenden Samen auf Neuland, das heißt auf einem geeigneten Standort, niedergeht und sich durchsetzen kann, hat sich alles gelohnt und einen Beitrag zur Bewahrung unserer grünen Umwelt geleistet. St.