Draußen beobachtet

Schützenswerte Streuobstwiesen

Doppelnutzung und artenreicher Biotop
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 4.08.2018


MÖHNESEE – Auch in den Dörfern und an den Einzelhöfen längs der Haar und im Möhnetal gibt es wie in ganz Westfalen nur noch wenige Streuobstwiesen. Während die modernen Obstplantagen mit kleinwüchsigen Gehölzen geplant und geordnet wirken, geben die Streuobstwiesen der Landschaft mit ihren unterschiedlich alten und hohen Bäumen eher einen malerischen Touch. Erst relativ spät haben Naturschützer und Heimatfreunde die ökologische Bedeutung dieser alten Nutzflächen in den Blick gerückt, vielerorts zu spät, als ihre Funktion und Geschichte mancherorts schon nicht mehr im Bewusstsein waren.Streuobstwiesen werden sie nicht genannt, weil sie meistens unterschiedliche Obstbäume – über die Wiese verstreut – aufweisen, sondern weil sie einer durchaus intensiven Doppelnutzung unterlagen. Sie waren Obstgarten und Weideland zugleich. Und die vom Viehdung üppig gewachsenen Gräser und Kräuter wurden – soweit vom Vieh verschmäht – im Spätsommer gemäht und als Einstreu genutzt, wenn das damals noch viel kürzere Stroh nicht ausreichte. Die Streu, die – mit Tierkot angereichert – aus dem Stall auf die Felder kam, war ein wichtiger Dünger, der nötigenfalls um Streu aus dem Wald oder aus der Heide ergänzt wurde.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Die Streuobstwiese ist in ihrer besonderen Form der Nutzung ein Biotop, der vielen Tier- und Pflanzenarten Zuflucht und Nahrung bietet. In einem Astloch im alten Apfelbaum brütet der Star, faule Äpfel locken die Wacholderdrosseln an. Die Kuhfladen selbst haben ihre eigene Tierwelt. Sonnige Stellen hier und schattige dort sorgen für einen Wechsel auf engstem Raum. Wo sich ein Baum verabschiedet hat, wurde ein junger nachgepflanzt. So entstand das bunte Bild, das die moderne Plantage nicht zu bieten vermag.

Erst als immer mehr Streuobstwiesen verschwanden, wurde den Naturschützern und Heimatfreunden bewusst, wie stark die Artenvielfalt vor allem der Vogelwelt sank und auch Eigenart und Schönheit der Dorfbilder litten. Inzwischen hat man den Wert der Streuobstwiesen erkannt. Wo man es sich leisten kann, werden sie gezielt geschützt und als historisches Natur- und Kulturgut sogar gepflegt.