Draußen beobachtet

Stechpalme liebt die milderen Winter

Ein Strauch ist an der Grenze erfolgreich

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 18.03.2020


MÖHNESEE – Viele Wanderer, die öfter im Wald unterwegs sind, kennen im Arnsberger Wald gleich mehrere Orte, wo Stechpalmen wachsen, die auch Hülsen oder Hülskrabben und in Botanikerkreisen Ilex genannt werden. Und die Freunde heimischer Wälder, die aus dem Ruhrgebiet kommen, haben die Art sogar schon massenhaft gesehen. Tiefer im Sauerland trifft man dagegen immer seltener auf diesen Strauch, der jenseits des Rothaargebirges ganz fehlt. Er mag keine kalten Winter und gilt als „atlantisch-mediterran verbreitet“.
Die in westfälischen Eichen-Hainbuchen- und Buchenwäldern ursprünglich heimische Art lebt hier schon immer an ihrer Verbreitungsgrenze. Dass sie die fast frostfreien Winter genießt, sieht man den üppigen Trupps an, die immer häufiger ein bis zwei Meter hoch werden und sich sogar spontan in waldnahen Hausgärten ansiedeln. Dorthin bringen die Drosseln im Winter die Samen, wenn sie die leuchtend roten Früchte gefressen haben.
Die Stechpalmen sind sogenannte „Winterstecher“ und mit ihren immergrünen Blättern zur Advents- und Weihnachtszeit besonders attraktiv. Die Zweige erfreuen sich vor allem in England, zunehmend auch bei uns, großer Beliebtheit. Wie einige andere immergrüne Gehölze galten sie schon vor den Weihnachtsbäumen in einigen Landstrichen als Sinnbilder ewigen Lebens. Doch wo sie zwischen Möhne und Ruhr nur verstreut vorkommen, sollte man ihnen den Naturschutz gönnen, den der Gesetzgeber für sie verordnet hat. Doch bald werden sie ihn wohl nicht mehr benötigen. Früher fror der Ilex auch bei uns regelmäßig zurück, sobald er aus dem Schnee hervorlugte. Heute breitet er sich in den Wäldern weiter aus.
Am Beispiel der Stechpalme können Naturfreunde die Ausweitung der Verbreitungsgrenze und die Entwicklung der Pflanzenhorste miterleben. Der Stechpalme, die manchmal allein am Waldboden wächst, besondere Aufmerksamkeit zu widmen, lohnt sich, zumal in Zeiten des Klimawandels. Dass sie mit dem geringen Lichteinfall dicht geschlossener Baumkronen auskommt, verdankt sie ihren immergrünen ledrigen Blättern. Sie treiben auch Photosynthese, wenn die Eichen und Buchen im Winterhalbjahr kahl sind. Vor dem Wildverbiss schützt sich die Stechpalme dadurch, dass ihre Blätter – zumindest soweit der Äser reicht – an den wellig gebuchteten Rändern Blattdornen tragen und dadurch schon zur Zeit der Waldhude vom Vieh gemieden wurden.
Weil es am Waldboden nur wenige blühende Schattenpflanzen gibt, werden auch die unscheinbaren weißlichen Blüten von Insekten angeflogen. Im Mai und Juni verbreiten die kleinen Scheibenblumen einen angenehmen Honigduft und bieten ihren Gästen Nektar an. Allerdings tragen nicht alle Sträucher die bei Vögeln und Floristen beliebten roten Früchte: der Ilex ist zweihäusig, das heißt es gibt weibliche und männliche Individuen.