Draußen beobachtet

Totholz ist voller Leben

Waldbild verändert sich grundlegend
Erschienen im Soester Anzeiger am 19.10.2016


MÖHNESEE – Hin und wieder beklagen sich immer noch Wanderer und Waldfreunde. Früher seien die Wälder gepflegter und aufgeräumter gewesen. Tote Bäume und Restholz seien regelmäßig entfernt worden. In Kriegs- und Notzeiten war in der Tat das Holz viel zu wertvoll; die Nachbarn schon brauchten es als Brennmaterial und mancher Waldbesitzer verlangte einen „sauberen Wald“. Heute sieht man das „Totholz“ mit anderen Augen.
Ob liegende oder stehende abgestorbene Stämme, ob Stümpfe von Windbrüchen oder abgedrehte Kronen, ob Wurzelteller gefällter Bäume oder überalterte und zerfallende Veteranen, sie alle -und gerade sie- sind wertvolle Bestandteile einer intakten Lebensgemeinschaft Wald. Tiefästige, anbrüchige oder kranke Starkbäume, die man früher entfernt hätte, bleiben heute oft stehen, um dem Wald seine natürliche Artenvielfalt zurückzugeben.
Ökologen gehen davon aus, dass Wälder fünf bis acht Prozent ihrer Holzmasse in Form von Totholz brauchen, um ihre Funktion als Lebensraum für die Tier- und Pflanzenwelt voll wahrnehmen zu können. Unter den Insekten sind es vor allem Holzwespen, Wildbienen und Ameisen, die auf Totholz angewiesen sind. Ihnen wiederum verdanken Meisen und Baumläufer, Kleiber und Spechte einen reich gedeckten Tisch. In totes Holz zimmern sie obendrein mit Vorliebe ihre Bruthöhlen.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Quelle: Angelika von Tolkacz

Kein Wunder, dass Totholz die Konzentrationsstelle der Waldlebensgemeinschaft ist. Weil aber in unseren Wirtschaftswäldern das Holz geerntet wird, lange bevor die Bäume ihr Höchstalter erreichen und absterben, klafft in ihren Lebensgemeinschaften eine Lücke.
Diese versucht die moderne ökologische Forstwirtschaft durch Alt- und Totholzkonzepte zu schließen. Im Arnsberger Wald, vor allem im staatlichen Lehr- und Versuchsforstamt, wurden dazu Naturschutz- und Wildnisentwicklungsgebiete ausgewiesen, in denen vor allem Buchenwälder ihr natürliches Höchstalter erreichen sollen.
Dadurch soll sichergestellt werden, dass auch jene Tierarten überleben, die in den Altersstadien der Bäume heimisch sind. Problematisch ist Totholz an Straßen und Wanderwegen, weil hier vorrangig der Verkehrssicherungspflicht gefolgt werden muss. St.