Draußen beobachtet

Wintergetreide begrünt die Haar

Erosionsschutz und Winternahrung für die Wildgänse

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 14.12.2019


MÖHNESEE – „Nach grüner Farb‘ mein Herz verlangt in dieser trüben Zeit“, heißt es in einem mittelalterlichen Volkslied, aus dem 16. Jahrhundert. Im Dezember, wenn der unbelaubte Wald sich dem Naturfreund graubraun darbietet, ist das frische Grün, das den Haarstrang und die Börde überzieht, ein deutlicher Gegenpol. Obwohl der Regen noch immer sehr sparsam ausgeteilt wird, reicht er offensichtlich aus, um das Wintergetreide und winterliche Zwischenfrüchte ergrünen zu lassen. Die Landschaft hat sich verwandelt; das Grün erfreut Herz und Gemüt.
Gerste und Weizen sind das wichtigste Wintergetreide. Dazu kommt Triticale, eine Kreuzung aus Weizen und Roggen, die erst nach dem zweiten Weltkrieg ihren Siegeszug begonnen hat. In witterungsmäßig normalen Jahren wird die Wintergerste Ende September, der Winterroggen im Oktober gesät. Wintergerste und Winterweizen bringen deutlich höhere Erträge als das erst im März/April ausgebrachte Sommergetreide. Wichtig ist auch die höhere Frostresistenz, die Winterweizen schon Frost um minus 20 Grad hat ertragen lassen. Die wintergrünen Felder sind nicht nur eine Augenweide für viele Menschen. In ihnen fanden früher auch Hasen und Rebhühner ihren Lebensraum, vor allem die nötige Deckung bei Wind und Wetter. Heute sieht man vor allem in der Nachbarschaft von Wäldern und Feldgehölzen, dass sich nachts Rehe das frische Grün haben schmecken lassen.
Gravierender sind die Schäden, die teilweise über 100 Tiere starke Wildganstrupps anrichten. Doch ihre Bejagung, die in den Wintermonaten möglich wäre, ist nicht leicht und nichts für Anfänger und Sonntagsjäger. Scharfe Sinne und besondere Lernfähigkeit zeichnen alle drei in NRW jagdbaren Gänsearten aus.
Bei der Jagd auf Graugänse wird obendrein den Jägern Zurückhaltung empfohlen, weil sie leicht mit den seltenen und geschützten Zwerggänsen verwechselt werden könnten. Ein Trupp dieser vom Aussterben bedrohten Gänseart hält sich auch in diesem Winter wieder im Kreisgebiet auf.
Umso intensiver sollte die Jagd auf Kanada- und Nilgänse sein, die an den Gefiederfarben leicht zu erkennen sind. Diese beiden Gänsearten sind auch in der Gemeinde Möhnesee sehr zahlreich vertreten und sehr fortpflanzungsfreudig.
Das Wintergetreide wird aber nicht für das Wild, sondern als die wichtigste Futterbasis für Schweine und Rinder und vor allem für die Menschen angebaut. Im Naturhaushalt spielt es eine nicht zu unterschätzende Rolle im Bodenschutz. Vor allem in hängigen Lagen bewahren die grünen Felder die Landschaft davor, dass der Boden bei Starkregen fortgeschwemmt wird.