Draußen beobachtet

Zu viele Sikas, keine Hasen

Extrem unterschiedliche Wildbestände

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 20.11.2019


MÖHNESEE – Noch in der Nachkriegszeit kannte man die auf den Feldern der Börde und des Haarstrangs versammelten Jäger und Treiber bei der Hasenjagd. Später sah man den Leiterwagen voller erlegter Hasen durch das Dorf fahren. Offensichtlich war die Treibjagd erfolgreich. – Solche Bilder gehören schon seit Jahren der Vergangenheit an, weil es kaum noch Hasen zu jagen gibt. In vielen Revieren wird seit Jahren nicht mehr zur Gesellschaftsjagd auf Niederwild, auf Hasen und Rebhühner, eingeladen. Es gibt nichts mehr zu jagen!
Für viele Revierinhaber in Westfalen ist das ein herber Verlust beziehungsweise Verzicht. Er wird in der Hoffnung erbracht, dass sich die Wildbestände künftig wieder erholen. Doch gegenwärtig sind die Bestandsverhältnisse in den Revieren südlich und nördlich der Möhne so unterschiedlich wie noch nie zuvor.
Im Arnsberger Wald bekommen die Jäger die Übervermehrung des Sikawildes kaum in den Griff, so dass die Wiederaufforstung der Wälder nicht gewährleistet werden kann. Auf der Haar und in der Börde fehlen den Hasen die Hecken und Gebüsche, in denen die Hasen Deckung suchen könnten. Großflächige Schläge, zu monotone Lebensräume und zu viele gefährliche Straßen sind einige von den vielen Gründen dafür, dass kaum noch einmal ein Hase in der modernen Agrarlandschaft zu beobachten ist.
Dabei waren die weiten Feldfluren für die Hasen, die einstmals aus der Steppe kamen, geradezu ideal. Im geschlossenen Wald lebten immer nur wenige Hasen, so dass man mit Recht witzelte, den Förstern und Waldarbeitern seien die Waldhasen „schon von Person her bekannt“. An mangelnden Nachwuchs der beiden zu vergleichenden Arten kann es nicht liegen. Während die Hirschkühe jährlich nur ein bis zwei Kälber zur Welt bringen, wirft die Häsin normalerweise 3- bis 4-mal im Jahr zwei bis drei Junge und ist manchmal merkwürdigerweise mit unterschiedlich alten Jungen trächtig(Superfoetation).
Naturfreunde und Naturschützer hoffen – allen Widerwärtigkeiten zum Trotz – dass es den Jägern gelingt, das Sikawild soweit zu reduzieren, dass der Wald auch künftig eine Chance hat. Durch die Zunahme der Blühflächen und des Zwischenfruchtanbaus und einem weiter verbesserten Ausgleich der Agrar- und Umweltmaßnahmen werden sich möglicherweise auch die Feldfluren wieder mit Hasen und Rebhühnern beleben, die Jäger ihre traditionellen Herbsttreibjagden begehen und die Kinder lebendige Osterhasen bewundern können.