Draußen beobachtet

Zugstau nach Wetterkapriolen

Drosseln warten auf die Rückkehr des Frühlings
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 21.03.2018


MÖHNESEE – Nicht nur wir Menschen registrieren den Wechsel zwischen dem frühlingshaften Wetter mit plus 15 Grad am Anfang der vorletzten Wochen und der Rückkehr des Winters mit eisigem Ostwind. Härter noch treffen die Wetterkapriolen die Zugvögel, soweit sie zu den frühen Heimkehrern gehören. Die Hausrotschwänzchen konnten nicht ahnen, dass sie am Nordrande des Sauerlandes noch vom letzten Schnee des Winters überrascht würden.

Die Singvögel sangen vom 10. März an schlagartig mit den Amseln um die Wette, nachdem schon eine Woche früher die Kraniche in riesigen Formationen über den Möhnesee heimwärts gezogen waren. Sie alle wurden vom erneuten Eis- und Schnee-Einbruch überrascht. Weiter nordwärts zu ziehen lohnte sich vor allem für die Singdrosseln nicht. Aufmerksame Naturbeobachter registrierten in den Gärten auf der Haar und im Möhnetal so viele Drosseln wie sonst kaum einmal. Vogelkundler sprechen von einem witterungsbedingten „Zugstau“. Die Singdrosseln, die – etwas kleiner als die Schwarzdrosseln und an der braunen Ober- und der helleren, gefleckten Unterseite von der Schwarzdrossel zu unterscheiden sind –, haben ihr Verhalten von einem auf den anderen Tag verändert. An den milden Tagen war die Luft noch von den Drosselliedern erfüllt, die aus mehrfach wiederholten kurzen Strophen bestehen und von den höchsten Wipfeln vorgetragen werden.

By Andreas Trepte (Own work) [CC BY-SA 2.5 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)], via Wikimedia Commons

Bei Eis und Schnee trippeln sie jetzt zu mehreren auf dem Rasen oder zwischen kurzen Stauden – farblich gut angepasst – auf der Suche nach Nahrung eilig hin und her, aber stumm. Auch die Zahl der Singdrossel verrät, dass auf dem nächtlichen Zug, bei dem noch kurz zuvor das helle „sri“ zu vernehmen war, etliche einzeln Reisende zusammengekommen sind. Ganz offensichtlich hatte sich bei dem gewandelten Wetter der Zug gestaut, um erst nach Rückkehr milderer Temperaturen wieder in Gang zu kommen. Das geschilderte Verhalten ist manchmal in ähnlicher Form bei verschiedenen Vogelarten zu beobachten und kann bis zu einem Wechsel der Zugrichtung führen, der natürlich mit erheblichem Energieverbrauch verbunden ist. Davor mögen die Wetterkapriolen die Zugvögel bewahren.