Draußen beobachtet

Zwei Störche kehren heim

Nur einer kommt gelegentlich auch zum Möhnesee

Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 2.01.2020


MÖHNESEE – Zumindest einen der beiden Störche kennt jedes Kind: als Glücksbringer und als Adressaten für den Wunsch nach einem Brüderchen oder Schwesterchen, den Weißstorch. Den hat es zwischen Haar und Möhne allerdings nie gegeben! Heimkehren aber konnte er zumindest nach Westfalen, wo es in den 1990er Jahren nur noch drei Brutpaare an der Weser bei Petershagen gab, heute – 30 Jahre später – ziehen im ganzen Land NRW über 300 Weißstorch-Paare wieder ihre Jungen auf, mehr als jemals zuvor.
In den Naturschutzgebieten mit den Feuchtwiesen an der Ahse und der Lippe haben die Weißstörche ihre Nester auf den Masten gebaut, die Naturfreunde eigens für sie aufgestellt haben. Sie sind die nächsten Weißstorch-Brutplätze von der Möhne aus und werden von vielen Menschen besucht und fotografiert. Hier an der Möhne wartet man bislang auch als Nahrungsgäste vergeblich auf sie.
Ganz anders verhält es sich mit dem zweiten, immer schon weniger bekannten Storch – dem Schwarzstorch, der heimlich und Scheu auch im Arnsberger Wald bis 1910 lebte. Die letzten Schwarzstörche fielen wegen ihrer vermeintlichen Schäden Schützen zum Opfer. Nach 100 Jahren erleben wir die Heimkehr beider Störche, die allerdings in jeder Hinsicht so unterschiedlich sind wie nur eben möglich.
Das fängt schon an bei den Namen. „Weiß“ und „Schwarz“ sind ein krasser Gegensatz. Während der Weißstorch schon immer ein beliebter „Kulturfolger“ war, der sich dem Menschen eng anschloss, ist der Schwarzstorch „Kulturflüchter“, der vor 110 Jahren noch verfolgt und ausgerottet wurde. Heute wird die Heimkehr beider Störche freudig begrüßt. Die Menschen haben sich verändert, die Störche nicht. Die Schwarzstörche haben ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet – und damit auch den Arnsberger Wald – wieder besiedelt. Man gönnt ihnen ungestörte Brutgebiete und naturnahe Bäche sowie Ufer als Jagdgründe. Naturschützer freuen sich, völlig unerwartet einmal etwas Positives zum Thema „Biodiversität“ erleben zu können. Nach der Brutzeit wurde der oberseits völlig schwarz befiederte Vogel auch schon am Möhnesee – und zwar an der Einmündung von Heve und Schmalenau – beobachtet.
Der Schwarzstorch ist nur wenig kleiner als der Weißstorch. Beide Störche gemeinsam haben die langen, roten Beine und Schnäbel. Ein echter „Klapperstorch“ aber ist der baumbewohnende Schwarzstorch nicht! Er entschloss sich zur Heimkehr nach Mitteleuropa offenbar, nachdem die Population in Osteuropa – vor allem im Baltikum – dank der Schutzmaßnahmen stärker zugenommen hat. Die Weißstörche, die früher teilweise über die Straße von Gibraltar, über das Mittelmeer und die Sahara zogen und dabei erhebliche Verluste erlitten, haben ihre Winterreise verkürzt und bleiben größtenteils in Spanien. Wahrscheinlich ist bei ihnen die verminderte Mortalitätsrate der maßgebliche Grund für die Heimkehr an Weser, Lippe und Rhein, wo sie dank der Schutzmaßnahmen für die Feuchtgebiete heute ein etwas verbessertes Nahrungsangebot erwartet.