Draußen beobachtet

Wie ein Wald Geschichte macht

Von der Viehweide zum Totalreservat
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 16.12.2017


MÖHNESEE – Einer der beliebtesten Wanderwege im Natur¬park Arnsberger Wald führt vom Torhaus zum Jagdschloss Wilhelmsruh (St. Meinolf). Rechts begleitet entlang der Heve ein urwüchsig wirkender Eichenwald den Wanderer. Kaum zu glauben, dass im Hevetal vor 200 Jahren noch Vieh auf ausgedehntem Grünland weidete. Erst später gelangte das Bauernland in das Eigentum des Bankiers von Donner, der ab 1878 Grund und Boden im Arnsberger Wald erwarb und möglicherweise die Eichen im Hevetal pflanzen ließ.
Auch im Tal der Schmalenau zwischen dem Forsthaus Grüne Hoffnung und der Mündung in die Heve wurde Weideland mit den Eichen bepflanzt, die hier heute noch wachsen. Ebenfalls schon vor 150 Jahren ent¬deckten Botaniker in beiden Tälern auf verlandeten Bächen und an besonders nassen Stellen Massenvorkommen des Straußfarns, einer im Sauerland seltenen Farnart, die hier ihren größten und am weite¬sten im Nordwesten gelegenen Grenzstandort hat.
Das war für den Kreis Soest schon in den 1930er Jahren Anlass, sich um die Ausweisung des Waldes als Naturschutzgebiet zu bemühen. Doch der neue Waldbesitzer Wilhelm von Opel befürchtete, die unver¬meidbare Publizität der Seltenheit locke Naturfreunde an, die das Wild und die Jagd stören könnten. Er wolle den Wald im Bereich des Straußenfarn-Vorkommens von sich aus intensiv schützen, was er auch tat. Doch nach seinem Tod war niemand da, der jetzt an die Aus¬weisung des Naturschutzgebietes dachte.

Quelle: Angelika von Tolkacz

So war in den 1970er Jahren bereits die Abholzung der Eichen mit nachfolgender Aufforstung mit Pappeln geplant. Dank des intensiven Engagements der Naturschützer auf Bezirksebene und der Landesforst¬verwaltung konnten zuerst die wegen des Straußenfarns besonders schützenswerten Wälder an Heve und Schmalenau in das Eigentum der öffentlichen Hand überführt und als Naturschutzgebiet ausgewiesen werden. Gegenwärtig verändert gerade der Wald zwischen Torhaus und Wilhelms¬ruh und zwischen Hevesee und Grüne Hoffnung wieder sein Aussehen. Jahrzehntelang wartete man vergeblich auf Gehölze als Unterwuchs unter den alten Eichen. Erst in den letzten Jahren kommt von Natur aus Jungwuchs – vornehmlich von Hainbuchen – auf. Grund dürfte die intensive Bejagung und Reduktion des allzu zahlreichen Sikawildes sein. Aber gerade zurzeit sterben hier in den Tälern zahlreiche der alten Eichen ab. Ursache dürfte die Eichen-Komplexkrankheit sein, zu der nacheinander verschiedene tierische und pflanzliche Erreger beitragen. Nicht nur des urwüchsigen Anblicks wegen, den Wanderer und Spaziergänger hier genießen, sondern auch als Lebensraum für eine ganze Reihe seltener Tierarten werden die toten Bäume nicht entnommen.
Sie tragen zur Steigerung des Wertes des Totalreservates bei. Insgesamt sollen die Bäume des so geschichtsträchtigen Waldes noch lange – bis zu ihrem natürlichen Ende – leben und mit ihnen der Straußfarn und die artenreiche Lebensgemeinschaft der Pflanzen und Tiere.