Draußen beobachtet

Der Fluggesang ist verstummt

Die Welt ist eine andere als noch vor 20 Jahren
Erschienen im Soester Anzeiger am 1.04.2017


MÖHNESEE – Ein Pensionär, der nun schon seit Jahren -zur Pflege seiner Gesundheit- täglich denselben Rundweg durch die Felder unternimmt, beklagt sich lebhaft. Für ihn habe sich die Welt grundlegend verändert. Jedes Jahr habe er sich auf die Rückkehr der Feldlerchen gefreut, und jedes Jahr habe er ihre Lieder vernommen. Dieses Jahr sei ihm erstmalig kein einziges Lerchenlied mehr vergönnt gewesen.

Für ihn habe sich die Welt grundlegend verändert. „Das ist mein Rundweg nicht mehr.“ Leider muss man ihm Recht geben. Der von Rachel Carson prophezeite „stumme Frühling“ droht nicht mehr, er ist in großen Teilen des Gemeindegebietes schon da. Wären nicht die Stimmen der Amseln und Singdrosseln fern aus dem Dorf zu vernehmen, wäre es still. Selbst die Goldammer im letzten Dornbusch erwartet man vergeblich. Man muss schon bestimmte Bereiche -etwa das Naturschutzgebiet Kleiberg zwischen Büecke und Hiddingsen- aufsuchen, um Vögel im Sinkflug zu erleben, und das nicht einmal überall, sondern nur in bestimmten Bereichen. Früher war die Luft erfüllt vom Vogelgesang. Allen voran erhoben sich die Feldlerchen über den Feldern in die Luft, um aus der Höhe ihr Revier zu markieren. Dieses Verhalten unterstreicht, dass sie hierzulande erst heimisch wurden, nachdem der Mensch den Wald zurückgedrängt hatte.

Größere Lücken im Wald beanspruchte auch der Baumpieper, der die Waldränder bevorzugte, solange es noch angrenzend Grünland gab. Er startet von einer Baumspitze, steigt singend zwanzig bis dreißig Meter in die Höhe und kommt auf dieselbe oder eine benachbarte Warte zurück. Dabei singt er unverwechselbar sein „zia-zia-zia“, das man heute ebenfalls nur noch selten und an ganz bestimmten Orten vernimmt. Merkwürdigerweise gehören auch einige weitere Singvögel, die wie die Wiesenpieper zumindest kürzere Singflüge kennen, zu den „Verlierern“, die sich aus der Kulturlandschaft zurückziehen. Es wäre schon ein geringer Trost, wenn man sie künftig nur noch in einigen Naturschutzgebieten erleben könnte. St.