Draußen beobachtet

Zwei Seeadler im Hevetal

Die größten Greifvögel gaben eine Gastrolle
Erschienen im Soester Anzeiger am 5.01.2016


MÖHNESEE – Die letzte der monatlichen Wasservogelbestandsaufnahmen des Vorjahres nahm eine Sonderstellung ein. Die Schlibbeckebucht, der von den Wasservögeln bevorzugte Bereich im Naturschutzgebiet „Hevearm“, war von Enten und Haubentauchern komplett geräumt. Sie alle schwammen anderswo auf der großen Wasserfläche.
Der Grund für die ungewöhnliche Situation war schnell gefunden. In der Mitte der Bucht standen zwei  Seeadler, die bei dem niedrigen Wasserstand Mitte Dezember noch größer wirkten, als sie ohnehin schon sind. Schließlich sind sie Vertreter der größten Greifvogelart im Norden Europas und hierzulande extrem seltene Gäste.

Einer der beiden Adler rupfte – unmittelbar an der Wasserlinie stehend – eine Ente, die er offenbar kurz zuvor erbeutet hatte. Nach den grünlichen  Federn zu urteilen, war es eine männliche Stockente, die in den winterlichen Entenscharen keine  Seltenheit ist. Der zweite Adler wartete nur 15 Meter entfernt fast regungslos. Gut zehn Minuten verharrte er respektvoll, ohne sich dem Artgenossen mit seiner Beute zu nähern. Bei beiden Seeadlern handelte es sich um Jungtiere, die in ihren ersten vier Lebensjahren noch dunkle Schwanzfedern tragen, aber an ihrer Größe, dem mächtigen Schnabel und den fingerartig im Fluge gespreizten Flügelfedern gut zu erkennen sind. Ohne etwas von der Beute abbekommen zu haben, strich der zweite schließlich ab und verschwand im niedrigen Fluge über dem Wald im Hevetal.

Die Beobachtung der beiden Seeadler am 15. Dezember war der erste Nachweis dieser imposanten Vogelart in neuerer Zeit. Zu erwarten war sie allerdings, weil sich der  Brutbestand der Adler in Mecklenburg-Vorpommern gefestigt und sich eine Tendenz zur Ausbreitung nach Westen entwickelt hat. Vor allem Jungvögel dringen häufiger bis zur Weser und nach Ostwestfalen vor. Von dort bietet ihnen die renaturierte Lippe mit einer ganzen Reihe attraktiver Feuchtgebiete potentielle Lebensräume, die möglicherweise im Sommer 2015 einem jungen  Seeadler schon den Weg bis in das Ahsetal erschlossen. Von dort bis zur Möhne ist es dann nicht mehr weit.

Dass die Seeadler in absehbarer Zeit auch hierzulande als Brutvögel sesshaft werden, ist allerdings nicht zu erwarten. Dazu ist der Abstand zum ostdeutschen Brutgebiet, an dem sie traditionell festzuhalten pflegen, noch zu groß.
Eher ist da schon mit der Ankunft eines kleineren Verwandten, des Fischadlers zu rechnen, der fast alljährlich im Herbst und Frühling dem Möhnesee auf dem Zuge einen Besuch abstattet und in den Naturschutzgebieten auch schon einmal einige Tage verweilt. St.