Draußen beobachtet

Stramm stehen wie Soldaten

Immer mehr Baumarten mit Pyramidenwuchs
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 20.11.2017


MÖHNESEE – Für Bäume mit breit ausladenden Kronen hat man in vielen Siedlungen nicht genügend Raum. Das dürfte der Hauptgrund dafür sein, dass gleich bei etlichen Baumarten ein Zuchtziel der möglichst schlanke, oft pyramidenartige Wipfel ist. So gibt es ein immer größeres Sortiment schlanker Baumarten, von denen ein bekannter Dendrologe schon vor Jahren vermutete, dass sie dem Schönheitsideal junger Damen nacheiferten.
Zumindest die stramme Haltung der Pyramindenpappeln ist schon seit 200 Jahren hierzulande bekannt. Diese Mutante der Schwarzpappel soll in Persien entstanden und in Kultur genommen worden sein. Über Warschau gelangte sie in deutsche Parks. Erst im 18. Jahrhundert begann sie ihren Siegeszug in Oberitalien, wo sie vielerorts landschaftsbildprägend wurde. Dass die Pyramindenpappel auch in Mitteleuropa einen Siegeszug antrat, wird Napoleon zugeschrieben. Um seine Truppen schnell von einem Ort zum anderen marschieren lassen zu können, ließ er Chauseen bauen. Zu deren deutlicher Markierung ließ er sie mit Bäumen flankieren.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Es sei seine Bevorzugung stramm stehender Soldaten gewesen, die seine Vorliebe für die Pyramidenpappeln begründet habe. Die auffällige Verzweigungsvariante der heimischen Schwarzpappel ist mit ihren fast senkrecht aufsteigenden Ästen so markant, dass sie bis auf den heutigen Tag allgemein bekannt ist und auch dort noch angepflanzt wurde, wo es aus Raumgründen nicht nötig gewesen wäre. Allerdings werden Pyramidenpappeln häufig wipfeldürr, was sie allmählich seltener werden lässt. Für das Landschaftsbild keine Schande! Übrigens gab es bislang nur männliche Pyramidenpappeln. Erst neuerdings kommen vereinzelt auch weibliche hinzu. Vermehrt wird diese Mutante allerdings ohnehin ausschließlich vegetativ, das heißt durch Stecklinge.
In Parks und Gärten sind andere Laubbäume – ebenfalls in Pyramidenform – zunehmend häufiger anzutreffen, am häufigsten wohl die Pyramideneichen. Von der Straße zwischen Körbecke und Stockum aus ist in der Baumschule Abel eine stattliche Reihe dieser Stieleichenvariante zu sehen, die durchaus auch an Häusern ihren Platz finden können, wo für breitkronige Bäume kein Raum ist. Auch andere Baumarten – beispielsweise die Hainbuchen – werden in Baumschulen mit solchen schlanken, schon tief ansetzenden Kronen herangezogen.