Draußen beobachtet

Alle warten auf den Frühling

Kraniche standen schon in den Startlöchern
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 6.03.2018


MÖHNESEE – Hastiger hätte sich der Winter kaum verabschieden können: von eisigem Wind am Wochenende zu Plus 10 Grad am Sonntag und Montag. Die Kraniche müssen in den Startlöchern gestanden haben. Schon am Samstag überquerte die erste Formation den Möhnesee. Der Sonntag war bereits der Hauptzugtag. In kurzen Abständen löste nachmittags bis in die Dunkelheit eine Eins die andere ab. Experten schätzten an die tausend Kraniche allein über dem Möhnesee, die schon in Europa auf wärmere Temperaturen warteten und unmöglich aus Afrika angereist waren.
Die Zeit zwischen dem 1. und dem 7. März war schon in früheren Jahren bevorzugter Rückkehrtermin der in Formationen überfliegenden und laut trompetenden Kraniche. Doch in diesem Jahr hielten strenge Nachtfröste sie bis zum 3. März auf. Doch mit der Milderung gab es kein Halten mehr, Meisen und Amseln hatten schon vor der Kälteperiode kurz und zaghaft zu singen begonnen. Jetzt aber klingt das ganz anders.

By Frank Liebig (Archiv Frank Liebig) [CC BY-SA 3.0 de (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0/de/deed.en)], via Wikimedia Commons

Die Ringeltauben lassen schon vielerorts ihre Balzrufe vernehmen. Auch der Buchfink, der zu den häufigsten Vögeln unserer Heimat gehört, will nicht mehr länger warten. Die Finkenmännchen, die immer die gleiche Strophe „schlagen“, die deshalb auch „Finkenschlag” genannt wird, kehren ein bis zwei Wochen früher als die Weibchen in ihre Reviere zurück. Zeitweilig scheinen sie unverheiratet zu sein, was Carl von Linné schon 1758 auffiel und ihn veranlasste, den Fink (Fringilla) den Ehelosen (coelebs) zu nennen. Der deutsche Name für ihn und eine ganze Gattung körnerfressender Vögel geht auf die Buche zurück, die ursprünglich die häufigste Baumart in Mitteleuropa war.
Jetzt lohnt es sich, Tag für Tag auf den Vogelgesang zu achten, der immer vielstimmiger und melodienreicher wird, um erst im Mai seinen Höhepunkt zu erreichen. Die ersten Sänger unter den Frühlingsboten sind dann allerdings schon wieder verstummt.