Draußen beobachtet

Aristolochia, die Osterluzei

Wie ein altehrwürdiger Name verballhornt wurde
Erschienen im Soester Anzeiger am 25.06.2016


MÖHNESEE – Als vor drei Jahrzehnten Heimatfreunde ältere Mitbürgerinnen befragten, welche Pflanzenarten sie früher zu Mariä Himmelfahrt für das traditionelle Kraut- oder Weihbund sammelten, stutzten sie beim Namen „Osterluzei“, den die meisten zum ersten Mal hörten. Die Senioren gaben zu, dass die Osterluzei schon immer sehr selten war. Damals wuchs sie nur in einem einzigen Bauerngarten in Stockum, wo diese Staude auch heute noch Jahr für Jahr blüht. Die damals als Garten- und Blumenfreundin bekannte Ursula Stichmann-Marny holte die Art auch in ihren Garten und sorgte obendrein für deren Verbreitung in Gärten der Umgebung.

Stutzig machte die Heimatfreunde auch der Name der Art, die nicht zu Ostern, sondern erst im Frühsommer blüht. Er hat im Übrigen auch gar nichts mit dem Osterfest zu tun, sondern mit dem wissenschaftlichen Namen „Aristolochia“, der im Laufe der Jahrhunderte verballhornt, das heißt entstellt wurde. Aus dem Griechischen übersetzt heißt er aristos = sehr gut und loceia = Geburt. Schon in der Römerzeit gelangte die Osterluzei nach Mitteleuropa und wurde als wertvolle Heilpflanze, die den Frauen die Geburt erleichtern sollte, zuerst in den Klostergärten und weiter in den Arzneigärten verbreitet.

Die Heimat dieser Heilpflanze ist der Mittelmeerraum und Kleinasien. Sie ist hierzulande die einzige Art einer großen, 500 Arten umfassenden Pflanzenfamilie, die vorwiegend in den Tropen und den Suptropen verbreitet und deshalb hier wenig bekannt ist. Auffallend sind ihre großen, herzförmigen Blätter. Auch ihre blassgelben Blüten, die zwei Zentimeter lang sind und zu drei bis sechs in Büscheln beisammenstehen, sind eine Besonderheit. Sie bestehen am Grunde aus einem kleinen Kessel, darüber aus einer schmalen Röhre und oben aus einer einzigen Lippe. Kleine Insekten, die – von starkem aasartigem Geruch angelockt – darauf landen und durch die dünne Röhre in den Kessel gelangen, können dort erst wieder heraus, wenn die Bestäubung erfolgt ist.

Noch bis vor Kurzem wurden Inhaltsstoffe der Osterluzei zur Stärkung körpereigener Abwehrkräfte verschiedenen Arzeimitteln zugesetzt. Wegen des Verdachts karzinogener Wirkung ist das seit 30 Jahren nicht mehr der Fall. Dennoch bleibt die Osterluzei Bestandteil des großen pflanzlichen Kulturgutes, das zu pflegen sich weiterhin lohnt. St.