Draußen beobachtet

Ein zweigeteilter Winter

Die Bluthänflinge setzten sich noch ab
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 1.03.2018


MÖHNESEE – Gegensätzlicher können die ersten und die zweite Hälfte des Winters kaum sein. Während es bis zum 19. Januar in vielen Gärten am Möhnesee frostfrei blieb und am 23. Januar das Thermometer sogar auf über 10 Grad stieg, sank um die Februar/März-Wende die Nachttemperatur auf minus 10 Grad. Auf wochenlanges mildes und überwiegend regnerisches Winterwetter, das den Klimawandel zu bestätigen schien, folgte Frostwechselwetter und nun sogar bei empfindlich unsympathischem Ostwind eine Kälteperiode mit Nachttemperaturen, die örtlich bei unter minus 10 Grad lagen. Man könnte meinen, der Katastrophensturm „Friederike“ am 18. Januar habe den Umbruch gebracht.

Dabei hatten bis dahin allein in einem einzigen naturnahen Garten bereits 14 Frühblüher ihre Knospen geöffnet. Neben den Schneeglöckchen und den Winterlingen waren dies die Alpenveilchen und die Elfenkrokusse, dazu die Gänseblümchen, die ohnehin keine Jahreszeiten zu kennen scheinen. Gleich drei Nieswurz-Arten, darunter die Christrose und die Frühlingsrose, beleben den Garten in jedem Winter, ebenso der Winter-Jasmin und die Hamamelis. Die Kätzchen am Haselstrauch aber hatten noch früher als in anderen Wintern sich gestreckt und ihre Pollen dem Wind anvertraut.
Die Gartenfreunde verfolgen mit Spannung, wie weit Winterblüher und die Voreiligen die Wetterkapriolen überstehen. Dafür, dass es Meisen und Finken, Rotkehlchen und Amseln auch bei der Kälte gut geht, wird vielerorts in den Dörfern gesorgt. An einigen Futterplätzen hat man den Eindruck, dass sich zeitweilig mehr gefiederte Gäste versammeln, als im letzten Winter.

von Richardfabi (Eigenes Werk) [Public domain], via Wikimedia Commons

Einige Vogelarten, die in der letzten Zeit häufiger den Winter über bei uns zu bleiben versuchten, haben sich wohl noch nach Süden abgesetzt. Dazu gehören auch die Bluthänflinge, denen eigentlich die heutige Kolumne gewidmet werden sollte. Als Körnerfresser haben sie in manchen Gärten, auf Wild- und auf Ödland noch genügend Samen gefunden, wenigstens solange es bei dem Hauch von Schnee bleibt. Die sperlingsgroßen, dickschnäbeligen Vögel sind übrigens leicht zu erkennen, wenn auch Männchen im Schwarm sind. Diese haben nämlich einen roten Fleck auf der Stirn, nach dem sie auch ihren Namen tragen. Auch die Kraniche, die fast täglich irgendwo über der Haar oder der Börde beobachtet wurden, haben sich wahrscheinlich noch nach Spanien abgesetzt.