Draußen beobachtet

Immer weiter so ?

Was Insektensterben und Straßenbegleitgrün verbindet
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 02.08.2017


MÖHNESEE – Nach den Gefahren durch die Nutzung der Atomkraft und durch den menschgemachten Klimawandel rückt gegenwärtig das Insektensterben in den Mittelpunkt der Diskussion. Und wie in der Vergangenheit wird aus wirtschaftlichen Gründen zunächst versucht, Problem und Gefahr in Zweifel zu ziehen, obwohl jeder Autofahrer selbst an dem Schwund getöteter Insekten an der Windschutzscheibe den Rückgang der Insekten ablesen kann.

Dabei haben an verschiedenen Orten ernsthafte Wissenschaftler seit Jahren den Rückgang der Insekten registriert. In Krefeld beispielsweise hat eine entomologische Gesellschaft seit 30 Jahren mit den gleichen exakten Methoden den Insektenbestand -immer an denselben Orten-erfasst und einen Rückgang um 75 Prozent ermittelt. Etliche weitere Projekte kommen zu einem ähnlichen Ergebnis, das auch für den heimischen Raum -zumindest als Tendenz—zugrundegelegt werden kann. Bedauerlich ist nur, dass das Thema „Insektensterben“ erst so spät in den Focus gerückt wurde. Die Vielfalt bunter Blumen und Vögel wurde eben viel früher und von mehr Experten beachtet. Doch das Insektensterben wirkt sich in den vernetzten Ökosystemen in unterschiedlicher Hinsicht aus: nicht nur auf die für den Menschen wichtige Bestäubungsleistung, sondern auch auf die Insektenfresser unter den Vögeln. Der umfangreiche Einsatz von Insektiziden und der Rückgang der Artenvielfalt unter Wild- und Kulturpflanzen kommen unter anderem als Ursachen für das Insektensterben in Betracht. Deshalb gilt es, überall wo möglich die Artenvielfalt der Pflanzenwelt zu erhalten und zu fördern. Dazu können Landwirte und Gartenbesitzer entscheidende Beiträge leisten. Auch die Vielfalt der Wildpflanzen im Straßenbegleitgrün ist zwar nur ein bescheidener, aber dafür kostengünstiger Faktor in den vielfaltigen Bemühungen um naturnahe Elemente in unserer technisierten Kulturlandschaft.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Leider wird die Methode, die an Straßen und Wegen der Gemeinde Möhnesee praktiziert wird, nämlich einen Teil der Straßenrandvegetation den Sommer über ungemäht zu lassen, längst noch nicht überall gepflegt. Vor allem an manchen Bundesstraßen wird die Wildvegetation radikal schon im Juni beseitigt – getreu dem Grundsatz „Weiter so, das haben wir schließlich immer so gemacht“. Doch mit der Diskussion um das Insektensterben muss in der Öffentlichkeit auch die Bereitschaft zu neuen Schritten zur Erhaltung naturnaher Elemente in unserer Umwelt wachsen, auch wenn es die kleinsten sind. In der Vernetztheit der Wirkungen der Pflanzen- auf die Tierwelt und letztlich auch auf den Menschen wird zunehmend ablesbar, welche Eingriffe des Menschen für die zukünftige Entwicklung hilfreich und welche nachträglich sind.