Draußen beobachtet

Kein Baum gleicht einem anderen

Zwiesel prägen das Angesicht vieler Waldbäume
Erschienen im Soester Anzeiger am 24.06.2017


MÖHNESEE – „Immer Bäume und wieder Bäume. Höchstens mal Fichte, Buche oder Eiche.“ So beklagte ein Waldbesucher, dem der Arzt Bewegung in der Natur verordnet hatte, die vermeintliche Gleichförmigkeit der Wege im Naturpark Arnsberger Wald. Ihm wurde geraten, die einzelnen Bäume doch einmal genauer anzuschauen.

Dann sieht man selbst in einem reinen Buchenbestand zwischen Kreuzeiche und Neuhaus oder in den Baumreihen in der Völlinghauser Allee eine Vielzahl unterschiedlicher Baumgesichter und Baumgestalten. Jeder Baum hat sein eigenes „Gesicht“, seine Besonderheiten. Kein Baum gleicht dem anderen!
Mit einem Male sieht man sich in einem bunt gemischten Völkchen interessanter Individuen mit allerlei Merkmalen, die zumindest teilweise ererbt wurden, teilweise aber auch an Vorkommnisse in ihrem langen, bewegten Leben erinnern; Sturm und Eis, das Wild und die Spechte, der Lichtmangel durch die Konkurrenz mit den Nachbarn, Moose und Flechten, der Mensch und vielerlei Umwelteinflüsse haben ihre Spuren hinterlassen. Sie erzählen zu lassen, bedeutet oft, in über 100 Jahre Lebensgeschichte zurückzublicken. Je länger man sich bemüht, die Gestalten und „Gesichter“ der Bäume zu sehen und zu verstehen, umso unterhaltsamer und faszinierender wird die Gesellschaft der Bäume.

Quelle: Angelika von Tolkacz

Mit gut überlegt ausgewählten Such- und Vergleichsaufgaben kann man auch Kindern und Schülern einen Reinbestand aus Waldbäumen zum Ort für Entdeckungen und Überraschungen werden lassen, beispielsweise durch die Suche nach Zwieseln.
Dabei handelt es sich um Stämme, die sich in zwei etwa gleich starke Triebe gabeln. Solche Schaftteilung ist in der Regel das gröbste Merkmal, an dem sich Bäume unterscheiden. Nur bei Laubbäumen sollte man zunächst danach suchen: bei einigen Bäumen im Kronenbereich, bei anderen unterhalb der Krone. Hier ist die Schaftteilung u-förmig, dort eher v-förmig und damit stärker der Gefahr des Aufreißens ausgesetzt. Als Ursache für die Zwieselung kommt die Schädigung der Spitzenknospe (Terminalknospe) in einem frühen Wachstumsstadium durch Insekten, Pilzbefall, manchmal aber auch durch Sturm oder Spätfrost in Betracht.

Nicht selten sind die Ursachen leichter erklärbar, besonders wenn man sich länger mit Baumgestalten beschäftigt, sie skizziert oder fotografiert. An den Fichten erinnern auch heute noch solche mit mehrtriebigen oder verformten Spitzen an die Nassschnee-Katastrophe im Jahr 1936, die sich ausgerechnet am „Weißen Sonntag“ ereignete und im Sauerland enorme Schäden verursachte.