Draußen beobachtet

Tote Bäume leben lange

Reichlich Totholz in den Eichenwäldern
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 29.12.2018


MÖHNESEE – Die Absenkung des Grundwassers ist die Ursache für den Tod mancher alter Bäume in der Feldflur. Auch tot bieten sie den Fotografen noch ein markantes Motiv – und das oft ein Jahrzehnt lang und noch länger.
Vor allem alte Eichen bleiben ein Konzentrationspunkt des Lebens: die Wipfel als Rastplatz für Krähen und Tauben, ein hoher Punkt als Warte der Greifvögel, raue Fugen und Höhlen, Abbrüche und Faulstellen als willkommene Niststätten und dazu Nahrung am Abbau beteiligter Insekten.
Besonders viele tote Eichen findet man zurzeit in einigen Waldgebieten. Dem Wanderer fallen sie vor allem im Sommer auf, weil sie kein Laub tragen. Aber auch im Winter heben sie sich ab, weil ihnen bereits das feine Geäst fehlt und dickere Äste in den Himmel ragen.
Fachleute sprechen vom „Eichensterben“, das sie eine „Komplexkrankheit“ nennen, weil der Tod dieser Altbäume durch mehrere Faktoren nacheinander – oft aber auch mehr oder weniger gleichzeitig verursacht wird. Über die Frage, welches das
im einzelnen und vor allem sind, gehen die Meinungen noch auseinander.
Das Kränkeln der einzelnen Eichen zieht sich meistens über Jahre hin,
kann aber auch im Einzelfall sehr schnell zum Tode führen.
Auch der Witterungsverlauf – etwa ein strenger Spätwinter oder eine Abfolge trockener oder auch extrem nasser Sommer – werden bei der Ursachensuche genannt.
Maßgeblich beteiligt sind in jedem Fall starker Eichenwickler und Frostspannerbefall, die im Münsterland oft, im Sauerland gelegentlich zu völlig kahlen Waldbeständen führen. Die geschädigten Eichen werden anschließend noch vom Eichenprachtkäfer und von Schlauchpilzen heimgesucht. Nicht selten überzieht Mehltau einen Teil der Blätter. Der Hallimasch ist manchmal ein Endglied in der Befallskette.
Reine Eichenwälder sollen stärker vom Eichensterben betroffen sein als Mischwald aus Hainbuche, Ahorn, Esche und Vogelkirsche. Anlass zur Hoffnung ist, dass immer nur einzelne Eichen absterben, und die Beobachtung von Exemplaren, die gesund bleiben. Optimistisch stimmt auch die Tatsache, dass es schon seit dem 18. Jahrhundert mehrfach ähnliche Phänomene gegeben hat. Früher wurden tote Bäume im Wald meistens sofort gefällt. Inzwischen wird mancher toter Baum wegen seiner
ökologischen Bedeutung für die Artenvielfalt auch weiterhin als wertvoll betrachtet und kann dort, wo es die Verkehrssicherheit gestattet, unangetastet bleiben.