Draußen beobachtet

Welkes Laub ist kein Müll

Beispiel für perfektes Recycling
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 22.12.2018


MÖHNESEE – Das herbstliche Laubkehren ist schuld am Tode manchen Baums. Alle Welt redet inzwischen vom „Recycling“. Aber dessen perfekteste Form wird nicht anerkannt, nur weil sie mit dem Golfrasen nicht zu vereinbaren ist. Im Wald, unter Parkbäumen, aber auch unter Ziersträuchern im Garten zeigt die Natur alle Jahre wieder, dass sie dieses Prinzip beherrscht, von dem der Mensch viel redet, aber nicht genug praktiziert.

Stattdessen wachsen die Müllberge. Die Natur hingegen kennt erst gar keinen Müll. Obwohl Wälder alljährlich je Hektar mehrere Tonnen Laub produzieren und im Herbst abwerfen, wachsen am Waldboden keine Müllberge. Auch nach Jahrzehnten hält sich das Relief auf gleichem Niveau, weil ständig Biomasse, die im Herbst abgelagert wurde ganzjährig abgebaut wird.
An diesem Prozess sind Tausende und Abertausende Helfer in Form eines Heeres von Insekten und Würmern, Pilzen und Bakterien beteiligt und das offensichtlich so gut organisiert, dass die einen das feuchte Welklaub fressen und die anderen deren Kot verwerten. In mehreren Stufen wird der „Abfall“, der (als nur scheinbar „wertlos“) von den Bäumen abgefallen ist, schließlich in wertvolle Mineralien verwandelt, die Bäume und krautige Pflanzen dringend zum Leben brauchen. In diesem Kreislaufprozess gibt es keinen Müll und keine Müllprobleme. Er kann schneller und weniger schnell ablaufen. Der Naturfreund stellt das beispielsweise beim Vergleich von Eichen- und Hasellaub fest, auch von trockenem und nassem Welklaub. Die Feuchtigkeit bestimmt Arten- und Individuenfülle der Kleintierwelt, wegen derer die Rotkehlchen die Blätter wenden. Für andere Tiere wie Igel und Bilche ist trockenes Welklaub beliebtes Isoliermaterial für Schlafplätze und Nester in der kalten Jahreszeit. Den Igeln können die zusammengewehten Welklaubmengen nicht groß genug sein.

Auf gepflasterten und asphaltierten Flächen ist der natürliche Abbau nicht möglich. Wo er allerdings gelingt, kann der Mensch ihm auch noch etwas zusätzliches Falllaub zumuten, jedoch gleichmäßig verteilt und nicht bergeweise. Der Laubfall darf – vor allem angesichts des Klimawandels und der Überhitzung unserer Siedlungen – kein Argument gegen die Vermehrung des Baumbestandes in Stadt und Land sein.