Draußen beobachtet

Weniger Graureiher

Am See gibt es keine Brutkolonie mehr
Von Professor Dr. Wilfried Stichmann. Erschienen im Soester Anzeiger am 26.09.2018


MÖHNESEE – Nur noch vereinzelt sieht man hier oder dort Graureiher am Möhnesee beim Fischfang. Das liegt nicht allein am niedrigen Wasserstand, denn das war auch schon im vorigen Jahr der Fall. Und auch Graureiher-Brutkolonien gibt es hier zurzeit nicht mehr.
Als vor Jahren nach langem Kampf der Naturschützer die Graureiher ganzjährig unter Schutz gestellt wurden und in Nordrhein-Westfalen nicht mehr geschossen werden durften, war die Sorge groß, dass es zu einer Übervermehrung der Art kommen werde, weil sie keine natürlichen „Feinde“ habe. Aber genau das Gegenteil war der Fall. Vor 40 bis 50 Jahren gab es eine Brutkolonie mit zeitweilig über 20 Reiherpaaren in dem Wäldchen in Wamel unweit oberhalb der Straße und des ehemaligen Bahnhofs. Sie hielt sich Jahrzehnte lang, obwohl Stürme immer wieder einzelne Fichten und Kiefern umwarfen. Als sich hier die Zahl der Horste verringerte, brüteten einige Reiherpaare in Baumgruppen am Südufer des Möhnesees.
Gegenwärtig sind Graureiher nicht nur am Möhnesee, sondern auch im Kuhholz in Welver nur vereinzelt, wo früher eine der ältesten und größten Reiherkolonien war. Insgesamt aber haben sich die Reiher in Nordrhein-Westfalen trotz Schwankungen gehalten. Die befürchtete Übervermehrung ist nicht eingetreten. Die Gründe dafür sind örtlich unterschiedlich. Am Möhnesee haben möglicherweise die hier stark vertretenen Waschbären die jungen Reiher dezimiert.

von Martin Geisler [GFDL (http://www.gnu.org/copyleft/fdl.html) oder CC BY-SA 4.0 (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0)], vom Wikimedia Commons

Konkurrenz durch Silberreiher
Das Nahrungsangebot begrenzt die Zunahme der Reiher, die Konkurrenz durch die schneeweißen Silberreiher bekommen, die zeitweilig zahlreicher sind als die Graureiher, aber hier nicht brüten. Sie kommen aus Südosteuropa als Gäste zu uns, allerdings die meisten erst nach der Brutzeit.
Als im Jahr 1998 die ersten Silberreiher am Möhnesee beobachtet wurden, hielten Wanderer und viele Naturfreunde sie irrtümlich für Graureiher-Albinos.
Inzwischen ist auch die zweite Reiher-Art allgemein bekannt. Sie sind nicht zu übersehen.